- von LOKALSPORT - über SPORT REGIONAL - bis SPORT INTERNATIONAL -

RANG VIER FÜR FLOORS

MOOS WIRD SIEBTE ÜBER 100 meter

Markus Rehm - Bilder: tsv bayer 04 / Oliver Heuser

PARIS. Platz vier über 100 Meter für Titelverteidiger Johannes Floors und Platz sieben für Nele Moos, Lise Petersen wird Achte im Speerwurf und Rang zehn für Franziska Dziallas über 400 Meter: Die Para Leichtathleten des TSV Bayer 04 Leverkusen haben auch nach dem Gold-Coup von Weitsprung-Weltmeister León Schäfer zum WM-Auftakt in Paris gute Leistungen gezeigt.


Das 100-Meter-Finale der unterschenkelamputierten Sprinter hatte in Tokio 2021 alle elektrisiert: Im Foto-Finish kürte sich Felix Streng in 10,76 Sekunden zum Paralympics-Sieger, der Costa Ricaner Sherman Guity Guity wurde Zweiter in 10,78 Sekunden und eine Hundertstelsekunde dahinter teilten sich Dubai-Weltmeister Johannes Floors und Rio- und London-Paralympicssieger Jonnie Peacock Bronze. Der WM-Vorlauf deutete an, dass es auch in Paris eng zugehen könnte. Noch mehr: Mit dem Italiener Maxcel Manu kam noch ein Konkurrent hinzu, der direkt in 10,64 Sekunden die schnellste Vorlaufzeit hinzauberte. Dahinter: Guity Guity in 10,69 Sekunden, der Ex-Leverkusener Streng in 10,76 Sekunden und Floors und Peacock in 10,92 Sekunden. Zwischen Platz eins und fünf schien für die beiden Deutschen alles zu möglich.

Als am Mittwochabend um 20.08 Uhr im Pariser Stade Charléty der Startschuss in der Luft lag, war die Anspannung förmlich zu spüren. Und dann war Warten angesagt. Der Italiener Manu hob die Hand, alle mussten aus den Blöcken raus. Dann der Start – zurückgeschossen. Der Italiener zog die Prothese aus, probierte seinen Stumpf abzutrocknen und sah die Gelbe Karte für Startverzögerung. Als es darauf ankam, preschte er aus dem Startblock und siegte in 10,71 Sekunden, dahinter der Costa Ricaner Guity Guity in 10,79 Sekunden. Felix Streng gewann Bronze in 10,85 Sekunden, Floors wurde Vierte in 10,94 Sekunden und zeigte sich versöhnlich mit seiner Leistung: „Ich wäre noch zufriedener, wenn der erste Start nicht zurückgeschossen worden wäre, weil der war richtig gut, da bin ich gut rausgekommen. Ich habe alles gegeben, es sollte nicht sein. Die 400 Meter kommen noch und die kann ich sehr schnell laufen. Da stehen die Zeichen gut. Ich bin guter Dinge und nicht traurig, dass ich den Vierten gemacht habe.“

Platz sieben für Moos, Petersen wird Achte

Lise Petersen wurde am Mittwochmorgen im Speerwurf der Klasse F46 Achte, nachdem sie in Tokio beim Paralympics-Debüt noch Siebte geworden war. 33,17 Meter aus dem ersten Versuch sicherten der 18-Jährigen vom TSV Bayer 04 Leverkusen den Platz im Endkampf der besten Acht – ihr zuvor erklärtes Ziel. „Ich hätte bei der Weite gerne noch einen draufgesetzt im letzten Versuch, dann wäre Platz sieben noch drin gewesen“, sagte die Abiturientin: „Im kommenden Jahr wird der Fokus anders gesetzt, dieses Jahr lag er eher auf dem Abi. Mit dem Wissen, was drin ist, ist mein Ziel, weiter nach oben zu rutschen in der Weltrangliste.“

Bereits am Dienstagabend war Nele Moos in 13,69 Sekunden über 100 Meter Siebte geworden im Finale, nachdem sie sich als Vorlaufs-Dritte direkt für den Endlauf qualifiziert hatte. „Es hat Spaß gemacht. Allgemein die ganze Vorstellung, die Musik und die Tatsache, dass mehr Zuschauer da waren als bei den Vorläufen, das war sehr, sehr cool“, sagte die 21-Jährige, die bei Erik Schneider trainiert: „Es war mein erstes Finale, das ich durch einen Vorlauf erreicht habe. Ich freue mich über meine Saisonbestleistung und konnte mich im Vergleich zu gestern deutlich steigern. Ich bin happy.“ Mit Blick auf ihre Starts im Weitsprung und über 400 Meter sagte sie: „Ich will einfach Spaß haben und die Atmosphäre genießen. Meine Familie ist da und darauf freue ich mich sehr.“

Franziska Dziallas lief bei ihrem WM-Debüt am Dienstagvormittag in 1:05,59 Minuten über 400 Meter nah an ihre Bestleistung dran und zeigte sich im Ziel zufrieden: „Es war ein guter Auftakt, meine Hauptdisziplin sind ja die 1500 Meter und darauf freue ich mich.“

Am Donnerstag steht für Sprinterin Irmgard Bensusan der Vorlauf und am Abend ein mögliches Finale an, Nele Moos tritt im Weitsprung an. 

Unbeschreiblich“: Nele Moos gewinnt Bronze im Weitsprung

Es ist die nächste große Überraschung für das deutsche Team bei der Para Leichtathletik-WM in Paris: Nele Moos springt zu Bronze in der Klasse T38 und kann ihr Glück kaum fassen. Irmgard Bensusan wird Sechste über 100 Meter.


Als sie von allen geherzt worden war, kam Trainer Erik Schneider noch mal zu Nele Moos, der neuen WM-Bronzemedaillengewinnerin. Gerade als sie Partypläne schmieden wollte, sagte ihr Coach vom TSV Bayer 04 Leverkusen: „Die 400 Meter haben wir ja auch noch.“ Und die 21-Jährige antwortete: „Aber ich habe jetzt eine Medaille. Dann laufe ich mit der, dann macht es ding-ding-ding“, und wedelte mit den Armen.

In der Stunde zuvor glich die Tribüne vor der Weitsprung-Grube einer deutschen Jubeltraube: Moos war nach dem ersten ungültigen Versuch schon im zweiten mit 4,48 Metern auf Rang drei gesprungen und wusste, wie sie das Publikum für sich gewinnen konnte: „Dadurch, dass die Französin bei den ersten drei Versuchen vor mir dran war, hat sie die Stimmung schon ganz gut gepusht und das habe ich einfach mitgenommen. Ich wusste, dass viele für mich angereist sind, worüber ich sehr dankbar bin. Ich dachte, ich nehme die gute Stimmung mit und genieße einfach, dass man angefeuert wird – das hat man sonst bei Wettkämpfen ja eher nicht so.“

Direkt hinter ihr: Die erst 16-jährige Friederike Brose vom BPRSV aus Cottbus, die 4,41 Meter sprang. Moos verbesserte sich im vierten Versuch noch auf die persönliche Bestweite von 4,65 Meter und sicherte sich Bronze. Als Brose im letzten Versuch bei 4,26 Meter landete, war die Medaille für Moos sicher – und sie konnte die Freudentränen nicht mehr zurückhalten: „Es ist unbeschreiblich. Ich bin nicht mit der Erwartung hergefahren, mit einer Medaille nach Hause zu kommen, deshalb bin ich sehr happy.“

Die Partypläne wurden dann trotz bester Laune im deutschen Team auf den Abschlussabend verschoben. Nicht nur, weil Moos noch die 400 Meter – in Tokio mit Platz neun ihre beste Platzierung – laufen wird, sondern auch aus Ratlosigkeit. „Was macht man denn so als Bronzemedaillengewinnerin?“, fragte die WM-Bronzemedaillengewinnerin, die wie vor vier Jahren wie Brose das Küken im Team war, während sie den schwarz-rot-goldenen Stoff sortierte: „Ich weiß ja nicht mal, wie man so eine Fahne hält. Vielleicht ein bisschen Schokolade? Irgendwas gönne ich mir einfach heute.“

Titelverteidigerin Bensusan Sechste und stolz

Zuvor hatte Moos Trainingskollegin Irmgard Bensusan, die in Dubai 2019 Doppel-Weltmeisterin über 100 und 200 Meter geworden war, Platz sechs über 100 Meter in 13,12 Sekunden belegt. „Ich bin super stolz auf mich, es waren gute 80 Meter von mir und ein super Start, aber dann sind sie leider an mir vorbeigesprintet. Für die Saison, die ich hatte, ist es trotzdem eine sehr gute Zeit.“ Für die 200 Meter hofft sie mindestens auf Rang vier – „entweder Slot oder Bronze.“

Nach dem vierten Wettkampftag mit deutscher Beteiligung haben die Bayer-Athlet*innen durch Léon Schäfer Gold und durch Nele Moos gewonnen. Qualifikations-Slots für das deutsche Team sicherte sich zudem Johannes Floors über 100 Meter. Am Freitag steigt am Abend das Weitsprung-Finale mit Markus Rehm und Noah Bodelier sowie das 1500-Meter-Finale mit Franziska Dziallas. 

Ein Jahr vor den Paralympics: Rehm fliegt bei WM in Paris zu Gold

Der Unbesiegte bleibt unbesiegt: Markus Rehm springt bei der Para Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Paris (Frankreich) zu seinem sechsten Weitsprung-WM-Titel und setzt seine unglaubliche Serie fort. In der Paralympics-Gastgeberstadt 2024 gewinnt der 34-jährige Weltrekordhalter mit WM-Rekord von 8,49 Metern. Stelios Malakopoulos wird mit 6,89 Metern Fünfter und WM-Debütant Noah Bodelier wird Achter.


Der Wind hatte Markus Rehm im Vorfeld seiner sechsten Weltmeisterschaften Sorgen gemacht. „Vielleicht kommt er ja hier rein und dreht dann“, sagte er am Abend vor seinem Wettkampf und zeigte ins Stade Charléty, während der Weltrekordhalter seiner Leverkusener Teamkollegin Nele Moos beim Gewinn der Bronzemedaille zusah. Und seine Hoffnung sollte sich beim fünften Versuch bewahrheiten.

Mit 8,49 Metern flog Rehm mit Rückenwind zu einem WM-Rekord, im sechsten legte er exakt diese Weite nach, obwohl er ausgerechnet vor dem fünften Sprung eine Schrecksekunde verkraften musste. Sein Trainingspartner Stelios Malakopoulos aus Griechenland, der extra im vergangenen Winter nach Leverkusen gezogen war, um vom Großmeister und seiner Trainerin Steffi Nerius zu lernen, und mittlerweile zu einem guten Freund geworden ist, verletzte sich auf Rang fünf liegend. Rehm eilte zu ihm und tröstete ihn, dann verbesserte er seine 8,27 Meter aus dem ersten und dritten Sprung um 22 Zentimeter und siegte. „Es war nicht so leicht, da wieder in den Wettkampf zu finden, wir wollten hier gemeinsam auf dem Podest stehen. Ich hoffe, es geht Stelios gut. Aber wir haben es danach geschafft, den Championship Record zu knacken und das war das Ziel. Am Ende des Tages war es trotzdem ein toller Wettkampf und ein schöner Vorgeschmack für Paris 2024.“

Malakopoulos selbst wurde hinter Rehm und drei US-Amerikanern mit 6,89 Metern Fünfter. Sein Leverkusener Teamkollege Noah Bodelier, dessen Trainerin Sara Grädtke ist und der auch immer wieder mit Rehm und Malakopoulos in Leverkusen trainieren darf, belegte mit 6,48 Metern Rang acht beim WM-Debüt. Der Vize-Junioren-Weltmeister von 2019 hätte sich noch etwas mehr erhofft für seine Premiere, „so wie man das immer als Sportler macht. Ich war ziemlich aufgeregt, aber nächstes Mal zeige ich mehr. Mit Markus häufiger zu springen im Training hat mir die Angst etwas genommen, dann ist es nicht ganz so aufregend, aber natürlich war es heute etwas ganz Besonderes. Ich werde auf jeden Fall alles geben und immer weiter trainieren, um nächstes Jahr wieder in Paris dabei zu sein.“

Franziska Dziallas wurde über 1500 Meter in 5:05,06 Minuten Zehnte bei ihrem WM-Debüt in der Klasse T20 und sagte: „Es war sehr anstrengend, das Rennen war echt schnell. Aber ich bin zufrieden mit meiner ersten WM.“

Rehm bangte nach Protest um WM-Sieg: „Menschlich traurig“

Es sollte sein großer Abend werden – und er hatte geliefert: Markus Rehm sprang bei der Para Leichtathletik-WM in Paris mit 8,49 Metern zur Goldmedaille und sicherte sich seinen sechsten Weltmeister-Titel in Folge. Doch beinahe wäre daraus nichts geworden, weil das US-amerikanische Team wegen eines nicht-zulässigen Sprint-Spike-Schuhs von Rehm Protest eingelegt hatte – und diesen erst am Samstagmorgen zurückzog.

Die Nachricht wirkte wie ein Schock aufs deutsche Team: Markus Rehm soll das Gold aberkannt werden? Das hielten alle im großen Mannschaftsraum des Hotels nahe des Stade Charléty zunächst für einen schlechten Scherz. Doch in der Tat hatte das US-amerikanische Team, deren Athleten die Plätze zwei bis vier belegt hatten, nach Rehms Weitsprung-Sieg mit WM-Rekord von 8,49 Metern Protest eingelegt. Ihr Argument: Rehm habe einen nicht-zulässigen Sprint-Spike-Schuh im Wettkampf getragen.

„Das war eine Riesen-Überraschung, weil es ganz normale Spikes sind“, sagte Weltrekordhalter Rehm, der die Schuhe vor dem Wettkampf vom Kampfgericht im Callroom abnehmen ließ: „Es ist keine Sonderanfertigung für mich. Die sind auf dem Markt frei erhältlich. Sie sind von der Technologie her gleich. Und ich bin mein Leben lang mit Sprint-Spikes gesprungen, weil mir Sprung-Spikes einfach nicht passen.“ Die Sprint-Spikes, die explizit für Weitsprung nicht zugelassen sind, als Grund für einen Ausschluss? Für Rehms Trainerin Steffi Nerius vom TSV Bayer 04 Leverkusen „Quatsch“, zumal Rehm damit nur anläuft und nicht abspringt: „Und Markus ist der Letzte, der sich mit irgendwas einen Vorteil verschaffen will.“

Um neun Uhr morgens sollte Rehm den Schuh bei den Offiziellen abgeben und zur Anhörung erscheinen, was dazu führte, dass sich ein Großteil des deutschen Funktionsteams im Mannschaftsraum versammelte, um am Morgen eine schlüssige Argumentation zu präsentieren – bis drei Uhr nachts wurde noch gegrübelt und überlegt. „Das fand ich wirklich Wahnsinn. Ich habe schon nach dem Wettkampf gesagt: Was das Team auf die Beine stellt und leistet, ist schon cool. Wir haben so viele tolle Leute dabei, es wurde im Vorfeld alles geregelt, alles gemacht, alles getan. Diesen Zusammenhalt zu erleben, wie alle sich eingeschaltet haben, egal in welcher Position, das war einfach schön und das schweißt auch noch mehr zusammen“, sagte Rehm.

Besonders enttäuscht war Rehm, dass der Protest ausgerechnet von den USA kam. „Ich habe viel mit ihnen zu tun, habe ihnen viel geholfen. Wir waren mehrere Tage gemeinsam auf Island, ich habe Videos gesichtet, ihnen viele Infos gegeben und an der Prothese mitgearbeitet“, sagte der Leverkusener: „Das dann zu hören, ist menschlich ein bisschen traurig.“ Auch Nerius ärgerte sich: „Wenn man mit einem 1,10 Meter Vorsprung gewinnt und dann so einen Protest bekommt, hat das einen bitteren Beigeschmack.“

Immerhin: Nachdem Rehm am Samstagmorgen den Schuh abgegeben hatte, kam nach halbstündiger Wartezeit die Nachricht, dass die USA im Team die Entscheidung getroffen hatte, den Protest zurückzuziehen – wohl auch auf Ansage des drittplatzierten Jarryd Wallace. „Das rechne ich ihnen sehr hoch an“, sagte Rehm: „Das kann einem Athleten echt den Abend nach dem Wettkampf versauen und für eine kurze Nacht sorgen.“ Die Party, die eigentlich am Freitagabend steigen hätte sollen, ist nun auf Samstag vertagt – denn nach der Siegerehrung, bei der Rehm mit den Emotionen kämpfte und mit Silbermedaillengewinner Derek Loccident und dem drittplatzierten Jarryd Wallace um die Wette strahlte, sagte Rehm: „Ich habe gehört, es sind gute Getränke im Kühlschrank, es wird auf jeden Fall gefeiert. Das, was wir gestern verpasst haben dank Regeln checken, das wird heute nachgeholt.“

Nun beendet Rehm, der seit geraumer Zeit mit Fußproblemen zu kämpfen hat, die Saison, um 2024 wieder weit fliegen zu können: „Bis das harte Wintertraining kommt, muss ich das im Griff haben. Wir haben große Pläne und wollen richtig angreifen, da muss der Fuß mitmachen.“

Liebe Leserin, lieber Leser
des SPORT-MEDIUMS – sport-rhein-erft.de,

 

wir freuen uns, wenn Sie unsere Arbeit mit einem monatlichen ABO in Höhe von 3,--€, 5,-- € oder 10,-- € unterstützen.

 

Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag