BERLIN. (VBL) Eigentlich war er nie der Typ, der unbedingt in die 1. Bundesliga wollte. Klar, als ganz junger Spieler hatte er mal daran gedacht, aber Luc Hartmann fühlte sich wohl in der 2. Liga, wohl in Freiburg, wo er lebt, wo er mit seiner Familie zu Hause ist. Eigentlich heißt aber auch, dass er heute dafür brennt. Sein Verein, die FT 1844 Freiburg, wagt in der Saison 2023/24 den Sprung ins Oberhaus des deutschen Volleyballs – und der erst 22 Jahre alte Hartmann wird sein Team als Kapitän anführen.
Es ist eine schwere Aufgabe für die noch jungen Schultern, aber Freiburgs Trainer Jakob Schönhagen ist überzeugt von seinem Athleten: „Er ist ein Paradebeispiel dafür, was Sport einem gibt. Er ist unglaublich schnell gereift. Wer ihn kennenlernt, sieht einen selbstbewussten jungen Mann, der mit Menschen reden kann und sich und seinen Sport ernst nimmt.“ Und dass, so Schönhagen, ist sinnbildlich für das Werte- und Lebensgefühl bei der FT Freiburg.
Seit zwanzig Jahren spielen die Breisgauer mittlerweile in der 2. Bundesliga, so lange, wie kein anderes Team der Liga. Als die VBL im vergangenen Jahr beschloss, das Oberhaus aufzustocken und die Bedingungen für den Aufstieg zu lockern, war die FT 1844 Freiburg schnell dabei. „Da war der Moment gekommen. Unter den neuen Bedingungen konnten wir nicht nein sagen“, sagt Teammanager Florian Schneider. „Der Prozess muss ja weitergehen. Man kann nicht ewig verharren.“
Grundlegend für die Entscheidung waren aber auch Entwicklungen im Verein, die bereits vor vielen Jahren angestoßen wurden, als man begann, auf die institutionelle Fokussierung der eigenen Jugend zu setzen. „Unser Ziel war und bleibt es, die Mannschaft zum großen Teil mit eigenen Spielern zu füllen. Das war anstrengende Arbeit. Wir sind sportlich abgestiegen, wir hatten harte Zeiten“, erinnert sich Jakob Schönhagen, der selbst vor seiner Trainerkarriere als Spieler in Freiburg aktiv war.
Doch nach schwierigen Jahren stellte sich der Erfolg ein. Nach Platz 3 in der Saison 2021/22, spielten die Jungs von der Dreisam in der vergangenen Spielzeit lange um den Titel mit und beendeten die Saison mit der Vizemeisterschaft. Es ist die Jugendarbeit, die jetzt Früchte trägt. Acht Spieler aus dem eigenen Nachwuchs schlugen in der letzten Zweitligasaison überzeugend auf, darunter Pascal Ristl, Oliver Hein, Fredrik Frisch, Lorenz Rudolf und eben jener Luc Hartmann, der sämtliche Jugendteams in Freiburg durchlief und die erste Mannschaft schon früh als Ballroller oder Wischer beobachtet hatte. „Da waren nicht nur angenehme Zeiten dabei. Zu Beginn hatte ich wenig Spielzeit. Dann der sportliche Abstieg, die Neuorientierung. Alles in allem war der Weg lang, aber trotzdem schön. Das schweißt zusammen“, sagt der gelernte Außenangreifer, der mit 16 Jahren bei einem Auswärtsspiel in Dresden seinen ersten Einsatz in der 1. Mannschaft hatte.
Es war ein Entwicklungsprozess, den nicht nur Hartmann und seine Freiburger Jungs durchliefen. Der gesamte Verein stellte sich nach und nach in vielen Bereichen breiter auf, verbesserte interne Strukturen und erweiterte die Hauptamtlichkeiten. Der nächste Schritt – folgerichtig. „Jetzt werden wir wieder in einen Prozess gehen, der nicht einfach wird. Wir werden verlieren, wir werden belächelt werden, wir werden Fehler machen. Aber das werden wir durchstehen. Dieser Prozess wird ein Quantensprung“, glaubt Schönhagen.
Einen Sprung hat der Verein bereits vollzogen, denn „in einer Sache haben wir bereits Erstliga-Niveau“, sagt Hartmann nicht ohne Stolz. „Die Zuschauerzahlen sind spitze.“ Und in der Tat stießen die Heimspiele in den letzten Jahren auf steigendes Zuschauerinteresse. Nachdem 2019 die neue Halle eröffnet wurde, die zudem auch noch die Bedingungen für die 1. Bundesliga erfüllt, kamen bis zu 1.200 Fans. Die „Affenbande“ zog auch Leute an, die vorher noch wenig von Volleyball gehört hatten. Dass sich das Team so nennt, ist ein wichtiger Teil der FT-Mentalität. „Das kam aus der Mannschaft, nicht von extern. Wir sind unangepasst, haben keine Profis, nehmen uns selbst nicht so ernst“, erinnert sich Teammanager Schneider und ergänzt: „Auch wenn sich nun Dinge ändern, die Affenbande bleibt.“
Denn ändern muss sich natürlich etwas, wenn die Mannschaft in der 1. Bundesliga bestehen will. „Einfach härter schlagen und höher springen“, scherzt Hartmann. Und doch weiß man, die sportliche Lücke nach oben ist groß, zu groß, um diese in einer Saisonvorbereitung zu schließen. Aber Trainer Schönhagen hat einen Plan: „Wir haben schon immer spielerische Lösungen finden müssen. Schneller, variabler, smarter, schmutziger. Wir haben nicht die besten Spieler, die mit dem Aufschlag ballern können. Aber wir sind ein Team.“
Größentechnisch will man sich verstärken, die eine oder andere Position mit externen Kräften besetzen. „Aber wir werden uns kein Team zusammenkaufen, wir haben mit der Fokussierung auf den eigenen Nachwuchs vor langer Zeit angefangen und setzen das fort“, so Schönhagen weiter, der vor allem auf zwei Aspekte in den kommenden zwei Jahren setzt: „Wir brauchen Resilienz und Durchhaltevermögen auf den Durststrecken, wollen an den Herausforderungen wachsen und nicht von unserem Weg abweichen.“
Vor der Ausrichtung der Heimspiele gegen die bekannten Namen des deutschen Volleyballs hat man indes keine Sorgen in Freiburg. „Wir haben im letzten Jahr eine U16-DM ausgerichtet und nun haben wir jeden Spieltag eine kleine DM vor uns“, sagt Schneider, der die Fallstricke für sich bereits identifiziert hat. „Die Streamings mit Dyn werden einiges an Arbeit benötigen. Die Spieler werden mehr im Fokus sein, da müssen wir uns drauf vorbereiten. Und klar, es macht auch einen Unterschied, ob man 1.000 oder 1.400 Leute in der Halle hat.“
Das Team steht geschlossen hinter der Entscheidung, ein wichtiger Punkt für Kapitän Hartmann. Die Saisonvorbereitung will er nicht nur für seine körperliche Rehabilitation nutzen: „Wir müssen die Ansprüche an uns selbst hochschrauben. Da bin ich als Kapitän mit verantwortlich und will mit gutem Beispiel vorangehen.“ Der Bachelorstudent freut sich besonders auf den Vergleich mit seinen sportlichen Vorbildern, die bei den zukünftigen Konkurrenten spielen. Die Namen behält er lieber für sich, „aber vielleicht ist ja trotzdem der eine oder andere Trikottausch drin.“