BERLIN, Mit einer Anpassung der Lizenzanforderungen will die Volleyball Bundesliga (VBL) die Anzahl der Vereine in der 1. Bundesliga Männer zur Saison 2023/24 erhöhen. Hierbei setzt die VBL auf eine individuelle und nachhaltige Entwicklung der Teams – ganz nach dem Vorbild der Standorte Lüneburg oder Giesen, die in den Jahren ihrer Erstligazugehörigkeit eine überaus erfolgreiche Entwicklung genommen haben. Die VBL befindet sich in intensiven Gesprächen mit sechs Zweitligisten, die sich perspektivisch auf den neuen Weg begeben und in den kommenden ein bis zwei Jahren aufsteigen wollen. Einer der potenziellen Aufsteiger sind die BADEN VOLLEYS SSC Karlsruhe.
Im Interview sprechen die beiden VBL-Geschäftsführerinnen Julia Retzlaff und Geschäftsführer Daniel Sattler sowie Felix Schiefer, Teammanager der BADEN VOLLEYS SSC Karlsruhe, darüber, warum sie zuversichtlich sind, dieses Ziel zu erreichen und welche Herausforderungen noch zu meistern sind, damit in der kommenden Saison 2023/24 bis zu 12 Teams in der 1. Bundesliga starten.
Frau Retzlaff, Herr Sattler, die Meister der 2. Bundesligen der Männer haben zur Saison 2022/23 ihr Aufstiegsrecht zur 1. Bundesliga nicht wahrgenommen, sodass Sie das Ziel einer vollen Staffel verpasst haben. Wie wollen Sie zur kommenden Saison die Wende schaffen?
Retzlaff: Mit aktuell acht Teams in der 1. Liga sowie dem VCO Berlin als Mannschaft mit Sonderspielrecht sind wir von unserem Ziel, einer 1. Bundesliga mit 12 Teams, gegenwärtig weit entfernt. Dennoch gibt es positive Entwicklungen in der Bundesliga: Die ausverkaufte Finalserie der vergangenen Playoffs hat noch einmal verdeutlicht, wie groß das Interesse an der Männer Volleyball Bundesliga ist. Und der Bounce House Cup, bei dem der erste Titel der Saison vergeben wurde, hat gezeigt, dass die Teams im Mittelfeld sportlich wieder ein Stück näher zusammengerutscht sind und wir uns auf hochklassige und spannende Spiele in der Bundesliga freuen dürfen.
Sattler: Bei der Suche nach Lösungen müssen wir zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen unterscheiden. Die Vereine in der 2. Bundesliga können die Lücke, die über Jahre immer größer geworden ist, nicht aus dem Stegreif schließen. Unser erklärtes Ziel ist es, in der kommenden Saison zwei bis drei freie Plätze mit Zweitligisten zu besetzen. Hierzu befinden wir uns in einem sehr guten Dialog mit sechs potenziellen Clubs. Dauerhaft wollen wir eine bessere Durchlässigkeit zwischen der 1. und 2. Bundesliga erreichen.
Die bestehende Lücke zwischen 1. und 2. Bundesliga ist nicht neu. Welche Ursachen haben Sie hierfür identifiziert?
Sattler: Wie so oft geht es vor allem um finanzielle Hürden. Für einen möglichen Aufstieg aus der 2. in die 1. Bundesliga ist unter aktuellen Rahmenbedingungen mindestens eine Verdreifachung der Budgets erforderlich. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fehlt jedoch oft an den aufstiegsinteressierten Standorten. Hinzu kommen fehlende infrastrukturelle Gegebenheiten, wie passende Spielhallen sowie ein funktionierendes und belastbares Management – diese Bedingungen sind letztendlich jedoch wieder an die finanziellen Möglichkeiten eines Vereins gekoppelt. Dabei ist es mir wichtig zu vermitteln, dass sich diese Anforderungen nicht die VBL ausgedacht hat, sondern schlichtweg das Wettbewerbsumfeld dies erfordert. Die Vereine müssen gleichermaßen in der Lage sein, in Sport, Management und Infrastruktur zu investieren, um am Standort zu wachsen.
Retzlaff: Es scheitert aber nicht nur an den finanziellen Mitteln, sondern auch an der fehlenden sportlichen Leistungsfähigkeit der aktuellen Zweitligisten, um auf dem Niveau der 1. Bundesliga mitspielen zu können. Vereinfacht lässt sich sagen, dass die Meisterschaftsaspiranten der 2. Bundesliga zu gut für die 2. Liga sind, aber in der 1. Bundesliga sportlich nicht konkurrenzfähig wären. Wenn weitere Teams in der 1. Bundesliga spielen und wir folglich eine volle Staffel hätten, erhoffen wir uns, dass Mittelfeld und unteres Drittel perspektivisch sportlich näher zusammenrücken.
Schiefer: Es sind genau diese beschriebenen Herausforderungen aufgrund derer wir uns nach der vergangenen Saison gegen einen sofortigen Aufstieg entschieden haben. Unser erklärtes Ziel ist jedoch die 1. Volleyball Bundesliga. Aktuell befinden wir uns in intensiven Planungen und Beratungsgesprächen, damit wir dieses Ziel gemeinsam mit allen Beteiligten erreichen können.
Welche konkreten Pläne haben Sie, um das Problem nachhaltig zu lösen?
Sattler: Zusammen mit den Vereinen der 1. Bundesliga haben wir uns angeschaut, in welchen Bereichen wir die Lizenzanforderungen anpassen können. Wir haben jetzt ein Setting entwickelt, das den Mannschaften aus der 2. Liga in vielen Bereichen entgegenkommt. Auf diese Weise versuchen wir, Mannschaften aus der 2. Bundesliga den Aufstieg zur Saison 2023/24 zu ermöglichen. Dabei liegt der Fokus auf einem fairen Wettbewerb, wirtschaftlicher Stabilität und der medialen Darstellung. In allen übrigen Bereichen werden die Lizenzanforderungen, die die Clubs erfüllen müssen, zunächst jedoch nur auf der Stufe der heutigen Lizenzanforderungen der 2. Bundesliga liegen. Dieses Angebot trifft bei einigen Zweitligastandorten auf reges Interesse.
Reichen diese Maßnahmen aus, um mehr Mannschaften für die 1. Liga zu gewinnen?
Sattler: Standorte wie Lüneburg, Herrsching und Giesen haben gezeigt, dass es funktionieren kann. Alle drei Vereine haben sich in den Jahren seit ihrem Aufstieg sukzessive weiterentwickelt – und das mit Erfolg! Lüneburg ist in der abgelaufenen Saison bereits das dritte Mal seit dem Aufstieg 2014 in das DVV-Pokalfinale eingezogen und spielt seit Anfang des Jahres in der LKH Arena, die mehr als 3.000 Zuschauerinnen und Zuschauer fasst. Diese neue Spielstätte wird auf die strukturelle Entwicklung des Clubs einzahlen. Die Helios GRIZZLYS Giesen haben gerade den ersten Ligacup der Bundesligageschichte ausgerichtet und auch Herrsching hat mit dem Umzug in den Audi Dome den richtigen Schritt gemacht.
Retzlaff: Wir brauchen die richtige Mischung aus Lizenzvoraussetzungen, Anreizsystemen und dem Selbstvertrauen in die Eigenentwicklung der Vereine. Der Schritt von der 2. Liga in die 1. Liga wird dank der erleichterten Lizenzanforderungen zur kommenden Saison kleiner ausfallen als der bisherige. Zusätzlich wird es ein Unterstützungsprogramm für Aufsteiger im ersten und zweiten Jahr der Erstligazugehörigkeit geben. Am Ende steht und fällt die Entscheidung eines Clubs, in die 1. Liga aufzusteigen, aber mit dem Budget, das die Clubs vor Ort erwirtschaften können.
Schiefer: Auch wenn uns in der Saison 2022/23 unsere „Mission Titelverteidigung“ gelingen sollte, können wir uns nur Schritt für Schritt entwickeln, hierfür benötigen wir Zeit. Hierauf zielt das „neue Programm“ der VBL ab. Insofern begrüßen wir die Anpassung der Lizenzanforderungen sehr – diese lässt unseren Bundesligatraum das erste Mal als realistisch erscheinen und bestärkt uns in unserem Willen, diesen Weg auch zu Ende zu gehen.
Sie haben auch andere Alternativen und eine Veränderung der Ligastruktur diskutiert, stimmt das?
Retzlaff: Es gab verschiedenste Überlegungen auf allen Ebenen dazu, wie wir unser Ziel einer vollen Staffel in der Männer Bundesliga erreichen können. Aufsichtsrat, Clubs und das VBL-Center haben in einem gemeinsamen Prozess entsprechende Konzepte und Strategien entwickelt und sich letztendlich dafür entschieden, dass es zunächst keine Änderung der bisherigen Ligastruktur in der Volleyball Bundesliga der Männer geben wird.
Sattler: Die Anzahl der ambitionierten Mannschaften im Männerbereich reicht momentan schlichtweg nicht, um sowohl die freien Plätze in der 1. Bundesliga zu besetzen als auch eine neue Ligastruktur zu entwickeln. Wir halten dies jedoch nicht für problematisch: Eine unterschiedliche Ligastruktur bei Frauen und Männern gibt es auch in den meisten anderen Teamsportarten.
Wird sich das Profil der 1. Liga verändern, sollten die Maßnahmen im Männerbereich greifen?
Retzlaff: Ja, das Profil wird sich auf jeden Fall verbreitern. Die 1. Bundesliga Männer wird zukünftig wieder drei Profile vereinen: Topclubs mit einer internationalen Orientierung, etablierte Profi-Mannschaften sowie neue Standorte mit Entwicklungspotenzial.
Schiefer: Sportlich betrachtet wäre es aus unserer Vereinssicht großartig, wenn sich mehrere Liganeulinge einen spannenden Kampf um den Klassenerhalt liefern würden.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Retzlaff: Aktuell befinden wir uns mit sechs Vereinen, die potenziell aufsteigen möchten, in einem sehr guten intensiven und konstruktiven Austausch. Dies betrifft vor allem Themen der Wirtschaftlichkeit. Die Deadline zur Vorlizenzierung für die Saison 2023/24 ist der 1. November 2022. Dann werden wir wissen, wer diesen Weg weiter gemeinsam mit uns beschreiten möchte. Für diese Clubs wird es dann zusätzliche Beratungen und Workshops unter Einbeziehung der bisherigen Erstligisten geben. Wir sind zuversichtlich, dass wir in die Saison 2023/24 mit mindestens 10 Teams starten.
Sattler: Und wir werden den Dialog mit unseren Mitgliedern fortsetzen, wie wir zu den notwendigen Veränderungen und Entwicklungen in der 2. Bundesliga kommen. Ich bin froh, dass wir ein gemeinsames Verständnis entwickeln konnten, dass wir die Herausforderungen in der 1. Bundesliga nur gemeinsam und im Schulterschluss zwischen 1. und 2. Liga lösen können.
Schiefer: Gegenwärtig bereiten wir die letzten Schritte vor, um den Antrag zur Vorlizenzierung einreichen zu können. Anschließend haben wir noch viele Hausaufgaben zu erledigen und wir sind uns der Herausforderungen, die noch vor uns liegen, bewusst. Aber wir haben das Glück Partner zu haben, die gewillt sind, uns bei unserem Weg zu unterstützen.