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TIMO BOLL IN CHINA MIT STANDING OVATIONS VERABSCHIEDET

WTT Champions Chongqing, China (30. Mai bis 3. Juni) * * *  Europameister  Dang Qiu im Viertelfinale / Dima Ovtcharov rückt olympischer Form näher

Timo Boll /c) WTT

CHONGPING. Timo Boll hat sich mit einer fantastischen Leistung aus China verabschiedet. Von seinen Fans mit Standing Ovations gefeiert, bedeutete die hauchdünne 10:12-Achtelfinalniederlage im Entscheidungssatz gegen den Weltranglistenfünften Felix Lebrun das Aus des Rekordeuropameisters beim mit 800.000 Dollar dotierten WTT Champions Chongqing (30. Mai bis 3. Juni). Bei seinem Karriereabschied auf Raten bestritt Boll, der mit den Olympischen Spielen in Paris seine internationale Laufbahn beendet, in Chongqing seinen letzten Turnierauftritt im Reich der Mitte. Europameister Dang Qiu hat hingegen mit einem Sieg über den Saudi-Smash-Halbfinalisten Jang Woojin (Südkorea) das Viertelfinale erreicht, in dem am Sonntag um 9.05 Uhr Lebrun sein Gegner ist. Am Vormittag war Dimitrij Ovtcharov in fünf Sätzen gegen den Weltranglistensechsten Hugo Calderano (Brasilien) ausgeschieden.

4:0-Führung im Entscheidungssatz reicht Boll gegen Lebrun nicht

In einem Duell der Generationen mit dem 26 Jahre jüngeren Franzosen Felix Lebrun zeigte der 43-jährige Düsseldorfer Timo Boll eine herausragende Leistung. Zum Sieg reichte es dennoch nicht ganz. Im Entscheidungssatz schien der ehemalige Weltranglistenerste bei einer 4:0-Führung zwar kurzzeitig auf Siegkurs, nachdem er sich zuvor über eine beeindrucken herausgespielte 8:0-Führung mit 11:3 den vierten Durchgang deutlich gesichert hatte. Doch mit unwiderstehlicher Qualität wandelte der Franzose den Rückstand in eine 10:7-Führung um. Boll wehrte mit spektakulären Punktgewinnen die ersten drei Siegchancen des Franzosen noch ab, seinen vierten Matchball nutzte Lebrun aber anschließend zum hauchdünnen 12:10-Erfolg.

Hochklassige Ballwechsel, Spannung durch vergebene Satzbälle

In dem ebenso dramatischen wie hochklassigen Match fehlte Timo Boll in seinem ersten Vergleich mit Lebrun ein wenig auch das selbst für einen Ausnahmesportler manchmal notwendige Quäntchen Glück. So punkte der Franzose in dem mit 11:9 knapp gewonnenen ersten Satz zweimal mit unerreichbaren Netzbällen, dazu sprang bei 9:10 ein diagonaler Vorhandflip Bolls nach einer Netzberührung so hoch ab, dass Lebrun den Ball spielend leicht mit seiner pfeilschnellen Rückhand zum Satzgewinn vollenden konnte. Bemerkenswert: Drei der fünf Sätze endeten in der Verlängerung, wobei die jeweiligen Gewinner interessanterweise zunächst reihenweise Satzbälle ausließen und somit für Hochspannung sorgten. Lebrun im dritten und im fünften Durchgang bei 10:7 jeweils drei an der Zahl, Boll beim 10:6 im zweiten Spielabschnitt sogar vier. 

„Unglaublich, wie stark Felix mit seinen 17 Jahren schon ist“

So unglücklich die Niederlage in einem hochklassigen Schlagabtausch auch war, Timo Boll stand nach dem herzlichen Handschlag mit Lebrun und den Standing Ovations der Fans auf den Rängen schon Sekunden nach dem Ausscheiden wieder ein Lächeln ins Gesicht geschrieben. „Bei den Europameisterschaften habe ich zu Felix noch scherzhaft gesagt, dass ich nicht aufhören kann, bevor ich einmal gegen ihn gespielt habe. Heute war es soweit und ich muss sagen, es ist unglaublich, wie stark er mit seinen 17 Jahren schon ist. Ich wünsche ihm, dass er so lange spielt wie ich“, gratulierte Timo Boll seinem jungen Kollegen von Herzen.

Dank an die Fans: „Das nächste Mal als Tourist nach China“

An seine chinesischen Fans gewandt, die ihn in der ausverkauften 9000-Zuschauer-Arena minutenlang feierten und anschließend für Autogramm und Selfies mit ihrem deutschen Idol Schlange standen, sagte er: „Das sind in diesen Tagen in China sehr emotionale Momente für mich. Ich bin etwas sprachlos. Die Atmosphäre war einfach großartig heute, es war das richtige Spiel für einen Abschied. Ich möchte mich bei all meinen Fans in China bedanken. Ich habe in diesem Land so viele tolle Erlebnisse gehabt und so viel gelernt, jedes einzelne Spiel war ein Vergnügen. China ist meine zweite Heimat und ich werde zurückkommen – das nächste Mal dann als Tourist.“

Felix Lebrun spielt am Sonntag im Viertelfinale gegen Europameister Dang Qiu

Im Viertelfinale steht Boll-Bezwinger Lebrun nun am Sonntag um 9.05 Uhr Europameister Dang Qiu gegenüber. Der Düsseldorfer besiegte den südkoreanischen Saudi-Smash-Halbfinalisten Jang Woojin mit 3:1, der gestern gegen den Weltranglistenneunten Patrick Franziska (Saarbrücken) aus dem Titelrennen geworfen hatte. Gerade noch rechtzeitig fand Dang Qiu im Duell mit dem Weltranglisten-13. Jang Woojin die für sein Spielsystem wichtigen richtigen Winkel, um den Wirkungskreis des laufstarken Südkoreaners zu beschränken. Mit einer klugen Mischung aus weit auf die schwächere Rückhandseite des Asiaten platzierten Bällen, taktischen Tempovariationen und vor allem seinen nach zwei Sätzen fast fehlerfreien parallelen Rückhandschlägen verhinderte der eineinhalb Sätze lang zurückliegende Deutsche zunächst mit einem Endspurt zum 11:9 den möglichen 0:2-Satzrückstand, bevor er in den Sätzen drei und vier weitgehend die Kontrolle über das Spiel übernahm und Jang Woojin mehr reagieren als agieren ließ.

„Ohne die Rückhand hätte ich wohl heute 0:3 verloren“

Dang Qiu trat nach seinem Sieg überaus zufrieden vor die Mikrofone der Medienvertreter und erklärte geduldig, welchem Schlag aus seinem Repertoire er nach dem verlorenen ersten Durchgang die Wende zu verdanken habe: „Ich habe mich im Spielverlauf gesteigert. Vor allem sind mir sehr viele unglaublich gute parallele Rückhandschläge gelungen, ohne die ich heute wohl 0:3 verloren hätte.“ Auf den Viertelfinal-Vergleich am Sonntag um 9.05 MESZ gegen den Franzosen Felix Lebrun, der unmittelbar zuvor Timo Boll in einem spektakulären Match in der Verlängerung des Entscheidungssatzes bezwungen hatte, freut sich der Düsseldorfer. Fünfmal standen sich die Nummern zwölf und fünf der Welt in den Jahren 2023 und 2002 gegenüber, dreimal mit Vorteil für Dang Qiu: „Felix hat sich in der Weltspitze etabliert, da gehört er auch hin. Ich denke, es wird auch morgen wieder ein interessantes Penholder-Duell.“

Dimitrij Ovtcharov zwei Sätze lang gegen Calderano in olympischer Form

Zum Tagesauftakt war Dimitrij Ovtcharov dem Weltranglistensechsten Hugo Calderano (Brasilien) nach einem Traumstart noch mit 7:11 im Entscheidungssatz unterlegen. Der Matchverlauf ähnelte dem Viertelfinalaufeinandertreffen der beiden Protagonisten bei den Olympischen Spielen in Tokio. Der eine ist zu Beginn vollkommen chancenlos, weil dem anderen fehlerloses Traumtischtennis gelingt. Der Verlust eines Satzes änderte damals den kompletten Spielverlauf. In Japan verließ der spätere Bronzenmedaillengewinner Dimitrij Ovtcharov als Triumphator über Hugo Calderano den Tisch. Beim Achtelfinalduell des Champions-Turniers in China war es diesmal Brasilianer, der den zu Beginn so einseitigen Spielverlauf beim 4:11, 2:11, 11:9, 11:5 und 11:7 im dritten Durchgang zu seinen Gunsten wendete.

Wer das Spiel verfolgte, der sah zwei Sätze lang einen Dimitrij Ovtcharov, dessen Präsenz am Tisch und dessen Intensität seiner wie an einer Schnur gezogenen Schläge eindrücklich daran erinnerten, warum der 35-jährige Deutsche mit sechs Medaillengewinnen bei Olympischen Spielen die Bestmarke in der Sportart Tischtennis sein eigen nennt. Die beiden ersten Sätze des heutigen Duells mit 11:4 und 11:2 waren eine Demonstration der Stärke. Calderano, die Nummer sechs der Welt und in der Vorwoche Gewinner des WTT Contender Rio de Janeiro, war zu diesem Zeitpunkt trotz fantastischer Rallyes absolut chancenlos. 

„Irgendwann fängt es an, schwerer und schwerer zu werden“

Dimitrij Ovtcharov beschreibt die Phase, die dem Match eine vollkommen neue Richtung gab, so: „Nach einem so fantastischen Start wollte ich es dann natürlich auch nach Hause bringen. Ich war auch im dritten Satz beim 9:11 ganz nahe dran. Hugo war eigentlich mit einem Bein draußen, hat aber in dieser Phase deshalb auch angefangen, einfach ganz locker aufzuspielen und zu treffen. Irgendwann fängt es dann bei einem selber an, schwerer und schwerer zu werden.“

„Mein spielerisches Niveau ist da. Jetzt muss ich die Chancen nutzen“

Was Ovtcharov trotz der Niederlage bleibt, ist die Erkenntnis, auf dem Weg zu olympischer Bestform einen Großteil der Strecke bereits absolviert zu haben: „Der Matchverlauf war heute ein bisschen wie in Tokio, nur umgekehrt. Aber ich habe definitiv meine beiden besten Sätze seit langer Zeit gespielt. Das zeigt, dass das spielerische Niveau vorhanden ist. Jetzt gilt es, schnellstmöglich daran zu arbeiten, die erspielten Chancen auch zu nutzen. Wir sind jetzt zwei Monate vor Olympia. Das Spiel heute nehme ich als wichtige Lehre mit. Ich werde dran bleiben, auch wenn die Niederlage bitter ist und ich gerne das Viertelfinale gespielt hätte.“

Die Ergebnisse der Deutschen am Samstag

Herren-Einzel, Achtelfinale
Dimitrij Ovtcharov GER – Hugo Calderano BRA 2:3 (4,2,-9,-5,-7)
Timo Boll GER – Felix Lebrun FRA 2:3 (-9,11,-10,3,-10)
Dang Qiu GER – Jang Woojin KOR 3:1 (-8,9,6,7)

Herren-Einzel, Viertelfinale
Dang Qiu GER – Felix Lebrun FRA 9.05 Uhr

Zum Livestream beim kostenpflichtigen Anbieter DYN

Alle Ergebnisse auf der WTT-Homepage

Das deutsche Aufgebot beim WTT Champions Chongqing

Herren
Timo Boll (Borussia Düsseldorf), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken-TT), Dimitrij Ovtcharov (neue Saison: TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell), Dang Qiu (Borussia Düsseldorf)
Damen
Nina Mittelham (ttc berlin eastside)
Trainer
Lars Hielscher (DTTB-Cheftrainer Düsseldorf)

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