NOVA GORICA (SLO). Silber im Mixed, seit heute Abend Silber im Doppel und seit dem Nachmittag die erste deutsche Einzelmedaillengewinnerin seit elf Jahren: Mit dem Gewinn von Edelmetall in allen drei Individualkonkurrenzen der Altersklasse U19 drückt die 17 Jahre alte Annett Kaufmann den Jugend-Weltmeisterschaften in Nova Gorica ihren Stempel auf. Für den Deutschen Tischtennis-Bund ist der fünfte Medaillengewinn bei den Weltmeisterschaften in Slowenien eine neue Bestmarke, an der Annett Kaufmann nun am Sonntag um 11.30 Uhr weiter schrauben will. Die Aufgabe ist allerdings überaus anspruchsvoll: Die Böblingerin steht im Halbfinale Chinas Topfavoritin Kuai Man gegenüber, der Nummer 19 der Damen-Weltrangliste und U19-Weltmeisterin des Jahres 2021.
Kuai Man wird schon zum zweiten Mal Kaufmanns Stolperstein
Kuai Man war es auch, die heute Abend im Doppel-Finale und damit wie schon gestern im Mixed-Endspiel den Ambitionen ihrer deutschen Herausforderin ein Limit setzte. Nach der gestern noch umkämpften 1:3-Niederlage an der Seite von Izaak Quek (Singapur) gegen Kuai Man/Lin Shidong musste Annett Kaufmann heute allerdings zusammen mit der Waliserin Anna Hursay die deutliche Überlegenheit der neuen Weltmeisterinnen Kuai Man/Xu Yi anerkennen.
Das in allen Runde zuvor souverän auftrumpfende Duo Kaufmann/Hursey unterlag Chinas Topduo mit 6:11, 4:11 und 4:11. Auf die besten Spielzüge der Europäerinnen kamen stets noch bessere Antworten mit noch genaueren Platzierungen zurück. Annett Kaufmann sagte nach der Niederlage: „Ich bin natürlich etwas traurig, weil das Finale so schnell vorbei ging. Aber die Chinesinnen waren stark und haben vollkommen verdient gewonnen. Anna und ich haben trotz der heutigen Niederlage ein mega Turnier gespielt. Ich bin sehr happy über diese zweite Silbermedaille, damit hätte ich vor dem Turnier nie gerechnet.“
U19-Mädchen-Bundestrainerin Lara Broich erkannte nach dem Finale die Leistung der Favoritinnen neidlos an: „Die Chinesinnen sind verdient Weltmeisterinnen geworden. Sie haben Annett und Anna ununterbrochen unter Druck gesetzt. Kuai/Xu waren sehr gut über dem Tisch, während unserem Duo viele Bälle etwas herausgerutscht sind, sodass Kuai/Xu direkt initiativ werden konnten. Alles in allem haben Annnett und Anna eine ganz tolle Weltmeisterschaft gespielt und sich die Silbermedaille hoch verdient.“
Kaufmann gewinnt erste deutsche Einzelmedaille seit 2012
Annett Kaufmann hatte wenige Stunden zuvor am Nachmittag ihre starken Leistungen in Slowenien mit dem ersten WM-Einzel-Halbfinaleinzug ihrer Karriere gekrönt. Mit dem 4:0 über die US-Amerikanerin Sally Moyland bleibt lediglich die Farbe der Medaillen noch bis zum Sonntag offen. Annett Kaufmann tritt mit diesem Erfolg in prominente Fußstapfen. Zuvor hatten nur sechs Deutsche bei den Titelkämpfen der Talente den Sprung auf das Siegerpodest geschafft. Zuletzt hatte sich im Jahr 2012 in Hyderabad die spätere Olympia-, WM-, EM- und World-Cup-Medaillengewinnerin Petrissa Solja eine Bronzemedaille gesichert.
US-Amerikanerin Moyland gegen Kaufmann ohne Chance
Das 11:9, 11:7, 11:9 und 11:9 der Europameisterin aller Nachwuchsklassen über die Amerikanerin Sally Moyland war wesentlich deutlicher, als es das in den Sätzen knappe Ergebnis der Viertelfinalbegegnung ausdrückt. Gleich im ersten Durchgang dominierte die technisch und taktisch überlegene Kaufmann und ging hoch in Führung. Trotz Moylands erfolgreicher Aufholjagd zum 9:9 behielt Kaufmann die Nerven, diktierte weiter das Spiel und ging kurz darauf hoch verdient mit 1:0 in Führung. Der Gewinn des ersten Satzes gegen die spielerisch unterlegene Moyland bedeutete gleichzeitig auch die Vorentscheidung. Zwischenzeitliche Vorteile der sicher, am Ende aber zu ungefährlich agierenden Amerikanerin glich die zweifache Mannschafts-Europameisterin der Damen fast nach Belieben aus und zeigte sich anschließend froh und erleichtert: „Ich bin sehr, sehr zufrieden, nun meine Einzel-Medaille unter Dach und Fach zu haben. Das Match gegen Moyland ist leichter verlaufen, als ich es vorher erwartet hatte. Selbst wenn es einmal enger wurde, habe ich immer einen kühlen Kopf bewahrt. Das zeigt auch, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ich sehr froh zu sehen, dass Dinge, bei denen ich geschwächelt habe, besser geworden sind. Ich bin sehr happy über meine dritte Medaille bei dieser WM.“
Happy über die Medaille / Ein bisschen zocken im Halbfinale
Die verantwortliche U19-Mädchen-Bundestrainerin Lara Broich war voll des Lobes nach dem Halbfinaleinzug ihrer Spielerin: „Annett hat das sehr gut gemacht und war mental in Topform. In den wichtigen Phasen hat sie stets einen klaren Kopf bewahrt und dann auch bei den Platzierungen in entscheidenden Momenten noch eine Schüppe draufgelegt, noch genauer gespielt. Moyland stand permanent unter Druck und war eigentlich ohne Chance in diesem Viertelfinale. Annett ist das ganze Match über ruhig und fokussiert geblieben und hatte auf alle Schläge ihrer Gegnerin eine bessere Antwort parat.“
Im Kampf um den Einzug in das Endspiel trifft die 17-jährige Gymnasiastin am Sonntag um 11.30 Uhr auf die Chinesin Kuai Man, die 2021 den Titel holte und bereits die Nummer 19 der Damen-Weltrangliste ist. Kaufmann nimmt die Außenseiterinnenrolle gerne an: „Der Gedanke, es geht um eine Medaille, der ist nun weg und ich kann morgen im Halbfinale viel lockerer aufspielen. Ich freue mich nun auf das Spiel morgen, um ein bisschen zu zocken.“
Erstmals fünf deutsche Medaillengewinne bei Jugend-Weltmeisterschaften
Außer Kaufmann im Einzel, Doppel und Mixed trug sich in Slowenien auch das Mixed Mia Griesel/Andre Bertelsmeier sowie das U15-Doppel mit den beiden erst 13 Jahre alten Talenten Koharu Itagaki/Josephina Neumann in die Liste der Medaillengewinner ein. Die Jugend-Weltmeisterschaften in Nova Gorica sind für den Deutschen Tischtennis-Bund mit fünfmal Edelmetall ein überragender Erfolg. Es ist das bislang beste Abschneiden bei den erstmals 2003 in Santiago de Chile ausgetragen Titelkämpfen des Nachwuchses. Als bisher bestes Ergebnis bei seinen mittlerweile 30 Medaillengewinnen hatte der DTTB im Jahr 2006 in Kairo insgesamt viermal auf dem Siegerpodest gestanden.
Die Ergebnisse der Deutschen am Samstag
U19, Mädchen-Einzel, Viertelfinale
Annett Kaufmann GER – Sally Moyland USA 4:0 (9,7,9,9)
U19, Mädchen-Doppel, Finale
Annett Kaufmann GER/Anna Hursey WAL – Kuai Man/Xu Yi CHN 0:3 (-6,-4,-4)
Die Spiele am Sonntag (Auszug)
U19, Mädchen-Einzel, Halbfinale
Annett Kaufmann GER – Kuai Man CHN 11.30 Uhr
Xu Yi CHN – Elena Zaharia ROU 11.30 Uhr
U19, Mädchen-Einzel, Finale
17 Uhr
Das DTTB-Aufgebot bei der Jugend-WM in Nova Gorica (26.11. bis 3.12.)
U19, Mädchen
Team: Mia Griesel (TSV Lunestedt/MTV Tostedt), Eireen Kalaitzidou (Borussia Düsseldorf), Annett Kaufmann (SV Böblingen), Lea Lachenmayer (ESV Weil)
Einzel: Annett Kaufmann, Mia Griesel
Doppel: Annett Kaufmann/Anna Hursey WAL, Mia Griesel/Lilou Massart BEL
U19, Jungen
Team: André Bertelsmeier (1. FC Köln), Matthias Danzer (TV Hilpoltstein), Tom Schweiger (SV Bayern München), Lleyton Ullmann (TSV Sasel/1. FC Köln)
Einzel: Andre Bertelsmeier, Matthias Danzer
Doppel: Andre Bertelsmeier/Matthias Danzer
Mixed: Annett Kaufmann/Izaac Quek SGP, Mia Griesel/Andre Bertelsmeier, Kong Tsz Lam HKG/Matthias Danzer
U15, Mädchen
Team, U15: Koharu Itagaki (TSV Bad Königshofen/SV Schott Jena), Lorena Morsch (TSV Langstadt), Josephina Neumann (TV Okarben/ttc berlin eastside), Lisa Wang (1. FC Saarbrücken-TT)
Einzel: Koharu Itagaki, Josephina Neumann
Doppel: Koharu Itagaki/Josephina Neumann
U15, Jungen
Team, U15: Matej Haspel (SV DJK Kolbermoor), Noah Hersel (1. FC Köln), Friedrich Kühn von Burgsdorff (Post SV Gütersloh/TTC GW Bad Hamm), Lukas Wang (1. FC Saarbrücken-TT)
Einzel: Matej Haspel, Friedrich Kühn von Burgsdorff
Doppel: Matej Haspel/ Friedrich Kühn von Burgsdorff
Mixed: Koharu Itagaki/Patryk Zyworonek POL, Josephina Neumann/Julian Rzihauschek AUT, Julia Leal POR/Friedrich Kühn von Burgsdorff, Mak Ming Shum HKG/Matej Haspel
Trainer- und Betreuer-Team
Lara Broich (Bundestrainerin Nachwuchskader 1, U19), Jie Schöpp (Bundestrainerin Nachwuchskader 2, U15), Dustin Gesinghaus (Bundestrainer Nachwuchskader 1, U19), Richard Hoffmann (Bundestrainer Nachwuchskader 2, U15)