- von LOKALSPORT - über SPORT REGIONAL - bis SPORT INTERNATIONAL -

BENEDIKT DUDA MACHT DEUTSCHLANDS TRAUM VOM WM-FINALE WAHR

Team-Weltmeisterschaften in Chengdu (30. September bis 9. Oktober)

(c) DTTB

CHENGDU. (CHN) (MS) „Finalsonntag bei der Team-Weltmeisterschaft in Chengdu, und Deutschland ist noch drin, das ist der absolute Wahnsinn!“ Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf und sein Spieler-Quintett fügten mit dem 3:2-Erfolg über Südkorea in einer Neuauflage des Halbfinals von 2018 den vielen beeindruckenden Triumphen im deutschen Tischtennissport einen weiteren hinzu: Den siebten Einzug in ein WM-Finale, in dem Deutschland am Sonntag um 13.30 Uhr MESZ auch diesmal wieder Gastgeber China nach dessen überraschend knappen 3:2-Erfolg über Japan gegenüberstehen wird.

Jörg Roßkopf: „Viele zu Hause haben uns das nicht zugetraut“

An vier der bislang sechs deutschen Silbermedaillen waren seit 2010 stets mindestens zwei Spieler des prominenten Trios Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska beteiligt, das zur Chengdu-WM in Deutschland geblieben war. Jörg Roßkopf: „Viele zu Hause haben uns das diesmal nicht zugetraut, aber da sieht man, was ein unbändiger Wille ausmacht. Dass eine komplette Mannschaft nach den Rückständen gestern und heute noch zurückkommt, zeigt, was Teamgeist wert ist. Dabei ist das ganze Team hinter dem Team – die Trainingsgruppe, die Coaches hier und daheim, die medizinische Abteilung, OSPs und IAT – immens wichtig. Wir arbeiten alle extrem gut zusammen.“

DTTB-Team versetzt mit seinem Willen Berge

Einen Tag nach dem erfolgreich aufgeholten 0:2-Rückstand gegen Frankreich waren es Dang Qiu, Benedikt Duda, Kay Stumper sowie Ricardo Walther und Fanbo Meng als lautstarke Unterstützung auf der Bank, die auch gegen den Weltranglistenvierten Südkorea mit ihrem Willen erneut Berge versetzten. Allen voran Benedikt Duda. Der 28-jährige Bergneustädter, der bereits gestern das entscheidende fünfte Einzel gegen Felix Lebrun gewonnen hatte, machte heute mit seinem ersten Sieg über An Jaehyun den Siegpunkt. Die Nummer 36 der Welt war zuvor auch im Eröffnungseinzel von Südkoreas Weltranglisten-17. Jang Woojin nicht zu bezwingen gewesen und schaffte das frühe Break für Deutschland, das anschließend aber mit 1:2 in Rückstand geriet. Für den zweiten Punkt der DTTB-Auswahl sorgte Einzel-Europameister Dang Qiu, der nach seiner Auftaktniederlage gegen An und dem anschließenden 2:3 von Kay Stumper gegen Cho Seungmin mit seinem 3:1-Sieg über Südkoreas Spitzenspieler Jang für den lebenswichtigen Ausgleich sorgte und die Weichen für den deutschen Gesamterfolg stellte.

Duda über Duda: „Einer meiner besten Tage“

Das Arbeitsgerät achtlos auf den Boden fallen gelassen, den ambivalenten Moment von Ungläubigkeit und Stolz lächelnd und mit genossenen Augen genießend, das war schon gestern das Bild, das die Kameras von Benedikt Duda nach dem Triumph über Frankreich eingefangen hatten. Dieses Bild, es war heute eine Kopie des gestrigen Tages, nur fiel das Grinsen noch breiter, das Lächeln noch glückseliger aus: Benedikt Duda hatte soeben seine Mannschaft in das Endspiel der Team-Weltmeisterschaften 2022 geführt. Auch lange nach dem Match noch stand dem bescheidenen Linkshänder die Zufriedenheit über den Erfolg ins Gesicht geschrieben: „Ein Spiel bei 2:2 ist immer eine 50-50-Situation, ganz egal, wer da steht. Ich hatte gegen An Jaehyun bislang noch nie gewonnen. Dann gewinne ich wie gestern wieder das Spiel bei 2:2 – das ist einfach ein super Gefühl! Ich habe heute fast fehlerfrei gespielt und bin super glücklich, dass ich dieses entscheidende Match bei 2:2 liefern konnte. Heute war es einer der besten Tage des Benedikt Duda, der beste Duda bislang überhaupt.“

Benedikt Duda: „Ich bin gerade einfach sehr glücklich“

In der Tat, selten hat man Duda, der zu Turnierbeginn noch nach seiner Form gesucht hatte, auf dem Niveau agieren sehen wie gegen Südkorea. In seinem ersten Einzel erspielte er sich ab dem zweiten Satz nach einem 5:7-Rückstand mit sechs Punkten in Folge vollends die Kontrolle über Jang Woojin. 10:12, 11:7, 11:7 und 11:7 lautete das beeindruckende Ergebnis für den zweifachen Team-Europameister, der gegen Südkoreas Nummer eins überragte. Immer wieder gelang es dem taktisch ungemein klug agierenden Deutschen Einzel-Meister von 2021 in der begeisternden Partie mit unendlich langen Rallyes, der Nummer 17 der Welt mit geschickten Platzierungswechseln sein aggressives Spiel aufzuzwingen und die Bälle wie von unsichtbaren Fäden gezogen auf jede beliebe Stelle des Tisches zu steuern.

Sein zweites Einzel beim Spielstand von 2:2 musste Duda dann ausgerechnet gegen einen Gegner bestreiten, dem er zuvor stets unterlegen war. Doch in diesem Halbfinale und bei diesem Spielstand war Duda dem WM-Dritten von 2019 spielerisch und an Willensstärke weit überlegen und vollendete seinen triumphalen Tag mit 11:9, 11:6, 8:11 und 11:6. Benedikt Duda war stolz auf sich und sein Team: „Es ist einfach eine ganz spezielle Situation, für dein Land in so einer wichtigen Partie zu spielen. Es war eine super Leistung der gesamten Mannschaft. Ich bin gerade einfach sehr glücklich.“ Trotz aller Glückseligkeit, einen Blick auf den finalen Sonntag warf Duda bereits voraus: „Das Finale wird das schwerste Spiel überhaupt. Aber wir werden alles geben und hoffen auf eine Sensation.“

Dang Qiu: „Spielerisch und emotional alles ins zweite Einzel gelegt“

Den dritten Punkt für das deutsche Team steuerte an diesem historischen Samstag Dang Qiu bei, der sich in seinen beiden Duellen mit An Jaehyun und Jang Woojin ebenfalls spektakuläre Ballwechsel en masse lieferte. Im ersten Duell des Tages gegen An endeten diese in der Summe zumeist mit dem besseren Ausgang für den ungemein beweglichen ehemaligen WM-Dritten, der auch auf die bestplatzierten Blocks des Europameisters weit hinter dem Tisch immer wieder spektakuläre Antworten mit seiner Vorhand zu finden wusste. Der Weltranglistenneunte brillierte passiv, schaffte es aber zu selten, beim 7:11, 10:12, 11:6 und 8:11 aktiv gegen den Südkoreaner zu punkten. Vorentscheidend war der zweite Durchgang, in dem Qiu zwei Satzbälle nicht nutzen konnte: „Das erste Spiel war sehr schwierig für mich. Ich bin direkt in Rückstand geraten. Der Gewinn des zweiten Satzes wäre wichtig gewesen, den ich leider nach 10:8 noch verloren habe. An Jaehyun hat super gespielt, viele Bälle in der Halbdistanz erlaufen und kaum leichte Fehler gemacht. Das hat es mir sehr schwer gemacht.“

Als es aber wirklich wichtig wurde und Deutschland bei einem 1:2-Rückstand mit dem Rücken zur Wand stand, da war auch diesmal wieder auf Führungsspieler Qiu Verlass. Anders als gegen An kontrollierte der amtierende Deutsche Meister im Einzel und Doppel die ebenfalls begeisternde Partie gegen Südkoreas Spitzenspieler Jang Woojin diesmal von Beginn an und punkte auch häufiger selbst mit seiner Vorhand. Am Ende schaffte der 25 Jahre alte Düsseldorfer mit 14:12, 11:7, 11:13 und 11:6 den hoch verdienten Ausgleich für das DTTB-Team, nachdem er zuvor bereits in Durchgang drei einen Matchball ausgelassen hatte. Dang Qiu sagte nach dem Finaleinzug erleichtert: „Ich habe emotional und spielerisch noch einmal alles in mein letztes Spiel hinein gelegt. Glücklicherweise wurden wir belohnt. ‚Benne‘ hat den Tag dann perfekt gemacht und uns mit einer herausragenden Leistung ins Finale gespielt.“

Kay Stumper: „Wenn einer verliert, fangen wir uns untereinander auf“

Das Duell zwischen dem bis dahin ungeschlagenen Kay Stumper und Cho Seungmin war von vielen kurzen Ballwechseln und spätestens nach dem 2:2-Ausgleich des Deutschen auch deutlich sichtbar von der hohen Bedeutung der Partie geprägt. Beide Akteure ließen bis zum 8:8 im Entscheidungssatz, den der 19 Jahre alte Düsseldorfer mit einem Fehlaufschlag eröffnete, zahlreiche gute Chancen aus und schafften es nicht, sich weiter als einen Punkt voneinander zu entfernen. Die Entscheidung fiel beim Stand von 8:8: Cho Seungmin gelang das doppelte Break gegen den Aufschlag des U19-Europameisters von 2021, unmittelbar darauf verwandelte die Nummer 65 der Welt gegen den 38 Plätze hinter ihm notierten Deutschen seinen ersten Matchball zum Sieg.

WM-Debütant Kay Stumper, der sich in den beiden Spielen gegen Frankreich als nervenstarker Joker erwies, trauerte aber angesichts des deutschen Finaleinzugs seiner hauchdünnen 6:11, 11:4, 5:11, 11:9 und 8:11-Niederlage nicht lange nach: „Ich habe etwas ärgerlich verloren. Das Spiel war ein bisschen zerfahren, und bei meiner 8:7-Führung im Fünften habe ich im Nachhinein ein paar sehr dumme Entscheidungen getroffen. Deswegen werde ich wohl noch ein paar schlaflose Stunden verbringen. Aber wir sind natürlich sehr, sehr glücklich, dass wir das Finale erreichen konnten. Generell gilt bei diesem Turnier, dass immer ein anderer da ist, der gut performt, wenn ein anderer mal verliert. Das ist bisher bei jedem Spiel so gewesen. Wir fangen uns untereinander immer auf.“

Jörg Roßkopf: „Unsere Spieler müssen den Druck im Finale hochhalten“

Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf zählt zu den Menschen, die sich immer nur die höchsten Ziele stecken. Das gilt auch für das Endspiel gegen Titelverteidiger und Olympiasieger China, auch wenn Roßkopf um die Rollenverteilung zwischen dem Favoriten und dem Außenseiter weiß: „Es ist ein Genuss, ein WM-Finale zu spielen. Wir müssen wieder von Anfang an Vollgas geben und die paar Chancen, die wir kriegen, dann auch ausnutzen. Egal, wer die Punkte macht, egal, wie es steht: Einfach immer weiter kämpfen! Unsere Spieler sollen den Druck immer und in jeder Situation hochhalten. Man weiß schließlich nie, was passiert.“

Wie richtig Roßkopf mit dieser Einstellung zum unbedingten Erfolgs liegt, stellte heute Japan mit einem fulminanten Halbfinal-Auftritt unter Beweis. Zwei Punkte von Tomokazu Harimoto gegen den Weltranglistenersten Fan Zhendong und Wang Chuqin setzten Gastgeber China einer vollkommen ungewohnten Drucksituation aus, die Wang allerdings im fünften Einzel gegen Shunsuke Togami meisterte. Togami hatte zuvor bereits gegen Fan Zhendong verloren. Für Chinas dritten Zähler sorgte im dritten Einzel Olympiasieger Ma Long gegen Mizuki Oikawa.

Dang Qiu: „Gegen China ähnlich schwer wie gegen Nadal in Paris“

Führungsspieler Dang Qiu freut sich auf das Finale: „Natürlich sind wir die großen Underdogs. Ein Mannschaftsfinale gegen China zu gewinnen ist ähnlich schwierig oder noch schwieriger, als bei den French Open in Paris im Finale Nadal zu schlagen. Aber auch Außenseiter haben eine Chance, das hat heute Japan gezeigt. Wir werden wieder Vollgas geben und versuchen, jeden Punkt zu zelebrieren und unsere Chancen zu nutzen, wenn sie sich ergeben.“

Auf der Tribüne fieberte auch Sportdirektor Richard Prause in gewohnter Manier um jeden Ball mit: „Das war ein unglaubliches intensives Spiel, gepaart mit einer unglaublich hohen Spielqualität, was nicht immer in einem so wichtigen Match der Fall ist. Man sagt ja, wenn man die gegnerische Nummer eins knackt, sei man zumindest ein bisschen auf der Siegerstraße. Genau das ist hier nicht passiert. Erst knackt Benedikt Duda den in der Weltrangliste besten Koreaner, Jang Woojin, danach läuft es andersherum und der bestplatzierte Deutsche, Dang, verliert gegen An Jaehyun, der 2019 in Budapest im Halbfinale war. Das zeigt, wie eng im Tischtennis alles beieinander liegt.“

Für eine deutsche Herren-Mannschaft ist es das sechste Finale in der 96-jährige WM-Historie. Gold haben Deutschlands Männer, anders als die Frauen – 1934 und 1939 – bislang noch nie gewonnen.

WM-Halbfinale, Herren

China – Japan 3:2
Fan Zhendong – Togami Shunsuke 3:0 (5,10,4)
Wang Chuqin – Tomokazu Harimoto 1:3 (8,-8,-6,-9)
Ma Long – Mizuki Oikawa 3:1 (-8,5,5,2)
Fan Zhendong – Tomokazu Harimoto 2:3 (-7,6,3,-9,-9)
Wang Chuqin – Togami Shunsuke 3:0 (10,7,4)

Deutschland – Südkorea 3:2
Benedikt Duda – Jang Woojin 3:1 (-10,7,7,7)
Dang Qiu – An Jaehyun 1:3 (-7,-10,6,-8)
Kay Stumper – Cho Seungmin 2:3 (-6,4,-5,9,-8)
Dang Qiu – Jang Woojin 3:1 (12,7,-11,6)
Benedikt Duda – An Jaehyun 3:1 (9,6,-8,6)

Deutschland: Dang Qiu (Weltrangliste: 9), Benedikt Duda (36), Ricardo Walther (74), Fanbo Meng (87), Kay Stumper (103)


Südkorea: Jang Woojin (17), An Jaehyun (47), Cho Seungmin (65), Cho Daesong (91), Hwang Minha (262)

Finale, Sonntag, 13.30 Uhr MESZ
Deutschland – China 

Zum kostenpflichtigen Livestream auf xyzsports.TV (Kosten: 10 Euro pro Monat)
Hinweis: Für Userinnen und User aus dem Raum Deutschland, Österreich und Schweiz gibt es nur das kostenpflichtige Livestream-Angebot.

Liebe Leserin, lieber Leser
des SPORT-MEDIUMS – sport-rhein-erft.de,

 

wir freuen uns, wenn Sie unsere Arbeit mit einem monatlichen ABO in Höhe von 3,--€, 5,-- € oder 10,-- € unterstützen.

 

Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag