MÜNCHEN. Dang Qiu hatte seine Kappe tief ins Gesicht gezogen. Vor den vielen Autogrammwünschen bei der Abschlussparty für alle Teilnehmenden an den European Championships im Münchener Olympiastadion hat ihn das trotzdem nicht bewahrt. Auch wenn er nach den neun tollen Turniertagen von München am Sonntagabend unendlich müde war, wird er seine neue Rolle dennoch genossen haben: Er wird erkannt, geschätzt, gemocht. Ähnlich ging es Nina Mittelham und Sabine Winter. Auch sie gingen in der vierstelligen Masse der Sportlerinnen und Sportler, Organisatoren und Volunteers in der Nacht zum Montag nicht unter. Sie feierten und wurden gefeiert.
Dabei war vor allem Qiu schon als er die Rudi-Sedlmayer-Halle verlassen hatte, eigentlich platt. Siegerehrung, Interview- und Fototermine mit Fernsehen, Radio, Nachrichtenagenturen und Zeitungen, Dopingkontrolle – so ein gefeierter Einzel-Europameister hat auch nach dem verwandelten Matchball viele Verpflichtungen. Es blieb nicht einmal ausreichend Zeit, die eigens für sein Finale angereisten alten Freunde aus seiner Schulzeit in Nürtingen persönlich zu begrüßen.
Sabine Winter, Nina Mittelham, Coach Lars Hielscher und Mannschaftsarzt Dr. Thomas Garn hatten ihm gut zureden müssen, damit er doch noch zur großen Abschlussparty ging. Zusammen mit dem verbliebenen Teil des deutschen Betreuerteams, Präsidentin Claudia Herweg und Sportdirektor Richard Prause hatte das Trio zunächst nahe des Mannschaftshotels im Münchener Stadtteil Obersendling in einem Restaurant die EM-Tage Revue passieren lassen. Gegen 23 Uhr ging es dann ins Olympiastadion, wo sich auch Sportler einfanden, die zuvor nicht Teil der European Championships gewesen waren, die Bayern-Fußballprofis Joshua Kimmich und Serge Gnabry etwa.
„Das Beste, was ich für mich tun kann, ist erst mal zwei, drei Tage ruhig zu machen“
Dang Qiu ist Sportler durch und durch. Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf attestiert dem bodenständigen, freundlichen und heimatverbundenen 25-Jährigen: „Er ist akribisch und sportlich und privat sehr strukturiert. Er kennt seine Ziele ebenso wie den Weg, auf welchem er sie erreicht.“
Er trainiert mitunter so viel, dass sein Düsseldorfer Klubtrainer Danny Heister ihm rate, zwischendurch auch mal abzuschalten, erzählte Qiu der Süddeutschen Zeitung vor der EM. Typisch Tischtenniskalender ist ein langer Urlaub nach dem Europameister-Titel allerdings nicht drin. In genau einer Woche ist Saisonauftakt mit seinem Verein Borussia Düsseldorf in der TTBL gegen den Post SV Mühlhausen. Vom 13. bis 18. September sind unter anderem er und Dimitrij Ovtcharov für den WTT Contender Almaty in Kasachstan gemeldet. Vom 30 September bis 9. Oktober 2022 stehen die Team-Weltmeisterschaften im chinesischen Chengdu auf dem Programm. Bei EM-Einzel-Finalistin Nina Mittelham ist es kaum anders. Lässt es ihre Verletzung am Schlagarm zu, ist sie vom 5. bis 10. September beim WTT Contender in Oman im Einsatz.
„Das Beste, was ich für mich tun kann, ist erst mal zwei, drei Tage ruhig zu machen und mich von dem ganzen Turnier hier zu erholen“, sagt Qiu. Wie sein Heimverein Borussia Düsseldorf seine Europameister feiert – und damit hat der europäische Topklub nicht nur wegen Rekord-Champion Timo Boll ausreichend Erfahrung – weiß er noch gar nicht. „Darüber habe ich mit Timo noch nicht gesprochen“, so Qiu. „Ich lasse es jetzt einfach auf mich zukommen.“
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