DOHA / FRANKFURT. (MS) Die Siegerin des Doha Star Contender 2022 heißt – nicht Han Ying. Die 38 Jahre alte Düsseldorferin brach beim Doha Star Contender das dramatische und hochklassige Finale gegen die 21 Jahre jüngere Japanerin Miyuu Kihara nach 11:8, 10:12, 11:9, 11:3, 7:11, 3:11 und einer medizinischen Behandlungszeit von mehreren Minuten beim Stande von 1:4 im Entscheidungssatz wegen eines anhaltenden Krampfes im Fuß und der Sorge um eine Verletzung vorsichtshalber ab. Als Trost bleibt Platz zwei und die Gewissheit, nach einem starken WTT-Turnier beim Erscheinen der Weltranglistennotierung am nächsten Dienstag wieder an die Tür zu den Top 10 zu klopfen. Gestern bereits hatte das Duo Benedikt Duda/Dang Qiu den Titel im Doppel-Wettbewerb gewonnen. Den Mixed-Wettbewerb entschieden im ersten Finale des heutigen Nachmittags die Franzosen Emmanuel Lebesson/Yuan Jia Nan für sich. Im Endspiel des Herren-Einzels stehen sich derzeit Überraschungsfinalist Andrei Gacina (Kroatien) und Lim Jonghoon (Südkorea) gegenüber.
Bundestrainerin Tamara Boros: „Ying hat ein unglaublich gutes Turnier gespielt“
Nachdem Han Ying beim Stand von 3:10 im sechsten Satz nach einem langen Ballwechsel zu Boden ging und sich in der anschließenden Satzpause minutenlang am linken Fuß behandeln ließ, stieg die Besorgnis um eine ernsthafte Verletzung der Europe-Top-16-Siegerin. Schon wenige Minuten nach dem kurz darauf abgebrochenen Finale, in dem sich Han Ying und Kihara teilweise schier unglaublich lange Ballwechsel lieferten, gab Damen-Bundestrainerin Tamara Boros jedoch erst einmal Entwarnung: „Das Endspiel und das Halbfinale waren anstrengend und sie musste als Abwehrspielerin viel laufen. Ying wollte es nach der Behandlung in der Satzpause im Entscheidungssatz noch einmal probieren, konnte aber nicht mehr richtig auftreten. Deshalb wollte sie keine Verletzung riskieren und hat aufgeben. So wie es aussieht, sind es aber wahrscheinlich nur starke Krämpfe. Jetzt hoffen wir erst einmal, dass die medizinischen Untersuchungen gut verlaufen und Ying in ein paar Tagen wieder fit ist.“ Zum sportlichen Teil sagte Boros: „Unabhängig vom Abbruch im Finale hat Ying ein unglaublich gutes Turnier gespielt. Aber es ist natürlich schade, dass sie nicht auch noch den letzten Schritt gehen konnte.“
Das Endspiel zwischen der an Position 17 in der Welt notierten Han Ying und der auf Rang 44 gelisteten Miyuu Kihara, die zusammen mit Miyu Nagasaki gestern auch im Doppel triumphierte, bot Tischtennis-Fans hatte bis zu seinem Abbruch ein Abwehr-Angriff-Duell auf absolutem Weltklasseniveau. Die Deutsche sicherte zwar die Sätze eins und drei jeweils mit Vier-Punkte-Serien nach 7:8 beziehungsweise 7:9 Rückstand, ließ dafür in Durchgang zwei aber drei eigene Satzbälle bei 10:7 ungenutzt. Anschließend feierte Japans Teenager noch einmal ein großartiges Comeback zum 3:3-Auslgeich in den beiden folgenden Durchgängen, nachdem Han Ying mit einem 11:3 zur 3:1-Satzführung den Widerstand ihrer Gegnerin schon gebrochen zu haben schien. Auch die sieben Aufeinandertreffen der beiden Kontrahentinnen zuvor in der japanischen T-League waren stets überaus ausgeglichen verlaufen. Bei vier Vergleichen über drei Gewinnsätze lautete die Bilanz vor dem Finale 2:2, bei drei Duellen über lediglich nur einen Satz, die alle in der Verlängerung endeten, wiesen die Resultate für Kihara einen 2:1-Vorteil aus.
Die Düsseldorfer Mauer war in Doha fast nicht zu überwinden
Der Siegeszug von Han Ying beim WTT Star Contender war bis zum Abbruch des Endspiels ein beeindruckender. Die in Diensten des polnischen Meisters Tarnobrzeg stehende Düsseldorferin stand fast in jeder Situation in der Abwehr dicht wie eine Mauer und störte gleichzeitig den Rhyhtmus ihrer Gegnerinnen mit klugen, oftmals auch punktbringenden Angriffen zur rechten Zeit. Die beste Defensivspielerin der Welt ließ in einem sehenswerten Halbfinale selbst ihrer Angstgegnerin Miyu Kato trotz eines 0:2-Rückstandes und einer vorausgegangenen Niederlagenserie von drei Spielen am Ende nicht die Spur einer Chance in den Durchgängen drei bis sechs. Damen-Bundestrainerin Tamara Boros lobte nach dem erfolgreichen Kraftakt: „Das war ein großartiges Halbfinale von Ying. Sie hat in den beiden ersten Sätzen noch ein wenig nach ihrem Spiel gesucht. Und ab Satz drei hatte sie dann auf alle Bälle ihrer Gegnerin die richtige Antwort.“ Bereits vor dem Sieg über Nina-Mittelham-Bezwingerin Kato hatte die Olympia-Viertelfinalistin geglänzt und sowohl Favoritenschreck Joo Cheonhui als Indiens Ass Manika Batra im Viertel- und Achtelfinale zusammen gerade einmal 21 Punkte in sechs Sätzen überlassen. In ihrem Auftakteinzel hatte Han Ying außerdem Japans 13 Jahre altes Wunderkind Miwa Harimoto auf Distanz gehalten.
Han Ying klopft wieder an die Tür zu den Top Ten
Im Finale von Doha war die 38 Jahre alte Defensivkünstlerin nicht weit von ihrem dritten Turniersieg auf der Weltbühne entfernt. Die Olympia-Viertelfinalistin von 2016 und 2020 hatte 2014 beim WTT-Vorgänger World Tour die Korea Open und ein Jahr später die Austria Open gewonnen. Aus dem Jahr 2017 stammt die bislang beste Weltranglistennotierung im Einzel an Position sechs. Mit dem Erfolg von Doha dürfte die aktuell auf 17 notierte Deutsche nun beim Erscheinen der nächsten ITTF-Rangliste immerhin wieder an die Tür zu den Top Ten klopfen und außerdem in Europa wieder die Position eins von der aktuell an 13 notierten Österreicherin Sofia Polcanova übernehmen.
Alle Ergebnisse Star Contender (WTT-Seite)
Die Ergebnisse am Donnerstag, 31. März
Damen-Einzel, Finale
Han Ying – Miyuu Kihara JPN 3:4 (8,-10,9,3,-7,-3,-1*)
*Aufgabe Han Ying wegen Verletzung bei 1:4 im siebten Satz
Halbfinale
Han Ying – Miyu Kato JPN 4:2 (-10,-9,4,2,5,4)
Miyuu Kihara JPN – Chen Szu-Yu TPE 4:0 (10,7,5,9)
Herren-Einzel, Finale
Lim Jonghoon KOR – Andrei Gacina CRO (läuft)
Halbfinale
Lim Jonghoon KOR – Quadri Aruna NIG 4:2 (-8,-11,9,1,12,5)
Andrej Gacina CRO – Kristian Karlsson SWE 4:0 (10,0*,0*,0*)
*Aufgabe Karlsson nach Satz eins
Gemischtes Doppel, Finale
Emmanuel Lebesson/Yuan Jia Nan FRA – Lin Jun-Yu/Cheng I-Ching TPE 3:0 (8,12,10)