HOUSTON. Ziel Nummer eins bei diesen Welttitelkämpfen im US-amerikanischen Houston haben zumindest sie erreicht, Benedikt Duda und Dang Qiu. Die vierfachen Deutschen Doppel-Meister sind ins Viertelfinale eingezogen und spielen damit am Samstag um WM-Edelmetall. Doch ihre Aufgabe dort könnte kaum schwieriger sein: Sie treffen auf die topgesetzten Chinesen Lin Gaoyuan/Liang Jingkun, die Kombination aus den Nummern sieben und neun der Einzel-Weltrangliste. Auf das kleine Titanentreffen bereiteten Duda/Qiu ihre belgischen Gegner in der Runde der besten Acht schon einmal sanft vor.
Florent Lambiet/Martin Allegro überraschten die Deutschen direkt zu Beginn mit viel Druck bei ihren extrem platzierten und harten Schlägen, so dass sie schnell mit 0:8 und 6:10 in Rückstand gerieten. Doch dann kam der Duda-Qiu-Express in Fahrt. Nach acht abgewehrten Satzbällen nutzten die ehemaligen Sportler-WG-Partner ihren eigenen vierten Satzball zur beruhigenden 1:0-Führung, die sie schnell ausbauen konnten. Durchgang drei ging verdient an die Belgier, doch im Vierten ließen Duda/Qiu beim 11:7 nichts mehr anbrennen. „Wir haben gewusst, dass wir vom Level her das bessere Doppel sind und das Niveau länger halten können“, so Duda. „Zum Glück haben wir den ersten Satz geklaut.“
Gegen Liang Jingkun haben Dang Qiu und „Benne“ Duda bei dieser WM nach guten Leistungen im Einzel verloren, wobei vor allem Qiu seinen Kontrahenten an den Rand der Niederlage gebracht hatte. Doch die frische negative Erfahrung soll am Samstag nicht zählen. „Sie sind auf jeden Fall die Favoriten und wir die kleinen Außenseiter, aber im Doppel ist alles möglich“, sagte der gebürtige Nürtinger und Mixed-Europameister Qiu über die anstehende Partie gegen die WM-Dritten von 2019. „Es ist das Spiel, auf das wir hingearbeitet haben, das Spiel um eine WM-Medaille.“
Damen-Duos mit Chancen gegen die Titel-Favoritinnen
Für die übrigen drei deutschen Duos am Freitag, zwei Damen-Doppel und das verblieben Mixed, war es der Tag der verpassten Chancen. Die beiden deutschen Damen-Doppel schieden als zeitweise Gegnerinnen auf Augenhöhe gegen zwei der Turnierfavoriten-Duos im George R. Brown Convention Center von Houston aus. Hätte, wenn und aber zählen im Sport ja erst recht nicht. Trotzdem drängt sich die Frage auf, wie weit die beiden Doppel gekommen wären, hätten sie nicht im Achtelfinale ausgerechnet den beiden WM-Finalistinnen von 2019 gegenüber gestanden. Die amtierenden Europameisterinnen Shan Xiaona und Petrissa Solja brachten die Titelverteidigerinnen Sun Yingsha und Wang Manyu mit ihrer blitzschnellen Reaktion als tischnahes Bollwerk gleich zu Spielbeginn derart in Bedrängnis, dass der amerikanische TV- und Livestream-Kommentator Adam Bobrow fieberhaft nach einem passenden Vergleich suchte. „„Ach nein, das passt nicht: Die Große Mauer steht definitiv in China“, überlegte der Tischtennis-Experte und kam auf Folgendes: „Vielleicht wie die Berliner Mauer“, womit er vor allem „Rückhand-Chefin“ Solja meinte.
Mit einer 8:2-Führung für die Deutschen hatte die Partie wie geplant begonnen. Hoher Druck und eine schnelle Führung sollten die Gegnerinnen verunsichern. Doch diese schlugen zurück und schon der erste Satz wurde nervenaufreibend. Eine Auszeit durch DTTB-Sportdirektor Richard Prause an der Box beim Stand von 8:7 brachte sein Doppel zurück in die Spur, doch es blieb knapp. Zwei Satzbälle wehrten Shan/Solja in der Verlängerung ab und ihren eigenen sechsten Satzball verwandelte Aufschlag-Ästhetin Shan mit einem überraschenden langen Service, das die Weltranglistenzweite Sun Yingsha zum Rückschlagfehler zwang.
Winter: „Den fünften Satz hätte ich gerne gesehen“
Die folgenden beiden Durchgänge sicherten sich die Favoritinnen. Satz vier gestalteten Shan und Solja mehr als offen, konnten jedoch einen 8:5-Vorsprung nicht ins Ziel bringen. „Ab dem 8:5 war ich oft zu weit hinten. Wenn die Bälle dann kürzer kamen, habe ich die Chance verpasst, sie direkt am Tisch zu blocken.“ Die Berliner Bundesligaspielerin, die im Einzel bei ihrem WM-Debüt mit 38 Jahren in Runde drei ebenfalls von einer Chinesin gestoppt worden war, ist wohl zurecht überzeugt: „Gegen andere Gegner hätten wir wohl gewonnen, hätten wir so gespielt wie heute.“
Ähnlich ging es Nina Mittelham und Sabine Winter mit den WM-Silbermedaillengewinnerinnen von Budapest, Mima Ito und Hina Hayata. Nach gewonnenem zweiten Satz, guten Rückschlägen gegen die japanischen Aufschlag-Wunder und variablen Platzierungen, die die Gegnerinnen ins Laufen brachten, wurden sie beim Stand von 1:2 in Sätzen in Durchgang vier bei 8:8 nicht für ihr hohes Risiko belohnt, das sie spielten. „Wir haben nichts falsch gemacht, wir mussten ja mit Risiko spielen, aber die drei Bälle, die zum 8:11 weggehen, die hätten auch alle drei kommen und zum 11:8 für uns ausgehen können“, beschrieb Sabine Winter. „Es waren keine total einfachen Bälle, aber Bälle, die uns durchaus liegen und die wir gerne auch mal treffen. Schade, dass wir es nicht in den fünften Satz geschafft haben. Den hätte ich gerne noch gesehen.“
Franziska frustriert nach seinem WM-Aus auch im Mixed
Auch für das WM-Bronze-Mixed von 2019 war im Achtelfinale Endstation. Gegen die Hongkong-Chinesen Ho Kwan Kit/Lee Ho Ching gab es statt eines gut möglichen 3:0-Erfolgs eine 2:3-Niederlage. Zwei Satzbälle nach gewonnenem ersten Durchgang beim Stand von 10:8 ließ das Parade-Duo ebenso aus wie einen Satz später ein 7:1 gegen immer besser agierende Kontrahenten. „Bei 10:8 spielt er zweimal die Banane in meine Vorhand und ich treffe sie zweimal nicht. Das darf auf dem Niveau einfach nicht passieren“, ärgerte sich der diesjährige Europe-Top-16-Gewinner Franziska.
Nach einem 11:4-Erfolg im Vierten liefen sie im fünften Satz von Beginn an einem Rückstand hinterher. Bei 5:10 verkürzten Franziska/Solja noch auf 9:10, doch dann punkteten die Drittplatzierten der diesjährigen Asien-Meisterschaften zum Einzug ins Viertelfinale. „Wenn man mit 9:11 im Fünften rausgeht, ist das nicht das geilste Gefühl.“ Franziskas WM-Bilanz aus den drei Wettbewerben: „Alles in allem bin ich schon frustriert.“
Solja: „Es wäre fast unfair, wenn ich alles aus dem Ärmel schütteln könnte, und die anderen trainieren wie blöd“
Die amtierende Einzel-Europameisterin analysierte: „Es war ein ständiges Hin und her. Zum Schluss haben sie selbst wenige Fehler gemacht, vor allem Lee Ho Ching, die am Anfang ein paar hat liegen lassen. Bei drei Gewinnsätzen geht es dann schnell“, so Solja. „Die Chance war wieder da, und wir hatten bei der Auslosung ein gutes Viertel ohne die Chinesen erwischt. Die Chance haben wir 2019 genutzt. Diesmal hat es leider nicht geklappt.“
Im Hinblick auf den vierwöchigen Bundeswehrlehrgang, der sie in den Jahren zuvor wegen verschiedener Turniertermine immer hatte verschieben können, der für die Sportsoldatin aber jetzt fällig war und den sie vor WM-Beginn absolviert hatte, sagte die 27-jährige Langstädterin: „Ich sollte den Kopf nicht zu tief hängen lassen, sondern es mit der Vorbereitung, die ich hatte, realistisch sehen. Es wäre fast unfair, wenn ich alles aus dem Ärmel schütteln könnte, und die anderen trainieren wie blöd. Ich muss vor allem erst einmal wieder in meinen Trainingsrhythmus kommen. Dann bin ich optimistisch, dass ich in Zukunft wieder große Erfolge feiern kann.“
Noch ist der vierte WM-Tag für Team Deutschland nicht vorbei. In der Nacht könnten Timo Boll gegen Abwehrer Wang Yang aus der Slowakei und Ruwen Filus gegen Kanak Jha (USA) das deutsche Viertelfinale in Texas klarmachen.
Zu den ausführlichen Stimmen der Deutschen am Freitag
Die Spiele der Deutschen am Freitag bzw. in der Nacht von Freitag auf Samstag
Herren-Doppel, Achtelfinale
Benedikt Duda/Dang Qiu – Florent Lambiet/Martin Allegro BEL 3:1 (17,7,-7,4)
Damen-Doppel, Achtelfinale
Nina Mittelham/Sabine Winter – Hina Hayata/Mima Ito JPN 1:3 (-7,9,-6,-8)
Shan Xiaona/Petrissa Solja – Wang Manyu/Sun Yingsha CHN 1:3 (16,-7,-6-,9)
Mixed, Achtelfinale
Patrick Franziska/Petrissa Solja – Ho Kwan Kit/Lee Ho Ching HKG 2:3 (9,-12,-9,4,-9)
Herren-Einzel, Achtelfinale
Timo Boll – Wang Yang SVK, 23.50 Uhr, Tisch 1
Ruwen Filus – Kanak Jha USA, 3.10 Uhr, Tisch 1
Die Spiele der Deutschen am Samstag bzw. in der Nacht von Samstag auf Sonntag
Herren-Doppel, Viertelfinale
Benedikt Duda/Dang Qiu – Lin Gaoyuan/Liang Jingkun CHN
Trainerteam und Delegationsleitung
Richard Prause (Sportdirektor), Tamara Boros (Bundestrainerin Damen), Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf), Sascha Nimtz (Wissenschaftskoordinator, IAT Leipzig), Ralph Färber (Athletiktrainer, Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt am Main) Rainer Kruschel (Delegationsleiter und DTTB-Leistungssportreferent)
Medizinisches Team
Dr. Antonius Kass (Teamarzt), Dr. Christian Zepp (Sportpsychologischer Experte), Birgit Schmidt und Annette Zischka (Physiotherapeutinnen, OSP Hessen)
Schiedsrichter-Team der ITTF
Kerstin Duchatz (Düsseldorf), Nico Zorn (Wuppertal)
Offizielle DTTB-Vertreter in ITTF-Gremien
Michael Geiger (AGM-Delegierter), Matthias Vatheuer (AGM-Delegierter), Heike Ahlert (DTTB-Vizepräsidentin Leistungssport, ETTU-Vizepräsidentin, Mitglied im ITTF Board of Directors), Dr. Torsten Küneth (Equipment Committee), Manfred Schillings (ITTF Media Committee und DTTB-Presse & -Kommunikation)
Links
- Live-Ticker, Ergebnisse, Ansetzungen auf der WTT-Website
- Livestream bei XYZsports.tv (Ab Freitag nur noch an den 4 kostenpflichtigen Tischen, 10 Euro pro Monat)
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