KÖLN. Wir hatten es vergangene Woche angekündigt: einen spannenden Derbysonntag mit ungewissem Ausgang. Denn die Tennisderbys zwischen den 1. Herren im Marienburger SC und der Zweitvertretung von Rot-Weiß Köln haben es in sich. So ist es gar nicht so lange her, als es am 16. August 2015 zuletzt einen Aufstiegs-Showdown zwischen diesen beiden Teams gab. Damals noch in der Oberliga. Am Ende entschied der letzte Punkt über das Schicksal – und damit über den Aufstieg der 1. MSC-Tennisherren in die Regionalliga.
Knappe sechs Jahre später, an diesem vergangenen Sonntag, sollte es nun ähnlich spannend, eng und dramatisch zugehen. Nachdem die Coronapandemie die vergangene Spielzeit 2020 unglaublich durcheinandergewirbelt hatte, veränderte sich als Folge auch die Aufstiegs- und Abstiegsregelung in dieser Saison. So hatte es 2020 keine Absteiger gegeben – und die Regionalliga wuchs extrem an. Nun sorgte die komplizierte Tabellensituation der Regionalliga-Gruppe A, in der unsere 1. Tennisherren aufschlagen, zusätzlich für großen Spekulationsspielraum vor dem letzten Gruppenspieltag. Aufstiegs- und Abstiegschancen – diese konnten nur die besten Statistiker vorausberechnen.
Denn das aktualisierte Reglement sah vor: Am letzten Gruppenspieltag sollten nur die beiden Absteiger feststehen – die beiden Tabellenletzten der Gruppe A. Die bisherigen Spielergebnisse ließen jedoch für die 1. MSC-Tennisherren alle Möglichkeiten zu: der direkte Abstieg, die Teilnahme an der Abstiegsrunde oder sogar die Teilnahme an der Aufstiegsrunde. So spielen nämlich die Mannschaften auf den Tabellenplätzen drei und vier über Kreuz in eben jener Abstiegsrunde mit den Dritt- und Viertplatzierten der anderen Gruppe die Absteiger aus. Die Tabellenersten und -zweiten der Gruppe A und B spielen zudem in einer Aufstiegsrunde den Aufsteiger aus. Zuerst treffen die jeweiligen Gruppenersten auf die Gruppenzweiten. Der Aufsteiger in die 2. Bundesliga wird dann zwischen den beiden Siegern in einem Finalspiel ermittelt.
Soviel zum neuen Regelwerk. Noch komplizierter indes war – wie bereits angekündigt – die Ausgangssituation in Gruppe A.
Die 1. Tennisherren (MSC) standen vor dem letzten Gruppenspiel auf Tabellenplatz vier – punktgleich mit Rot-Weiß Köln, die auf Position zwei standen. Zwischen diesen beiden Teams stand der RTHC Bayer Leverkusen, ebenfalls punktgleich, auf Platz drei. Während die Leverkusener auf den sicheren Gruppensieger THC Brühl trafen, kam es im MSC zum Showdown im Derby. Teilnahme an der Aufstiegsrunde, an der Abstiegsrunde oder der direkte Abstieg – alles war möglich, falls dies und das und jenes passieren sollten. Somit war das Ziel vor dem Heimderby schnell formuliert: Unsere 1. Tennisherren wollten so hoch wie möglich gewinnen – und dann hoffen, dass die Rechnerei zu Gunsten unserer Herren ausgeht.
Gegen 11 Uhr schlugen die ersten Einzel dann am vergangenen Sonntag auf. Unsere MSCer und die Rot-Weißen – sie kennen sich in- und auswendig. Auf Position zwei startet unser Kapitän Christian Hansen gegen Yannick Born, einen Riesen. Als großgewachsener Tennisspieler scheint auch er die »Karlovic-Isner«-Methode verinnerlicht zu haben und ist entschlossen, die Aufschläge nur so hineinzudonnern, um anschließend ans Netz zu stürmen – komme, was wolle. Dies war offenbar eine bewährte Strategie, bei der Christian zweieinhalb Stunden lang tüfteln musste, um eine Lösung zu finden. Nachdem Christian den ersten Satz im Tiebreak für sich entscheiden konnte, gelingt es unserem MSCer mit einem geschickten Ball am Ende des zweiten Satzes, Yannick Born zu passieren – und so das Match zu entscheiden: 7:6 und 7:5.
Steven Moneke hat es gegen den ehemaligen MSCer Mark Mestan verhältnismäßig leicht. »Der Mark tut mir ein wenig leid«, sagte MSC-Trainer Dirk Hortian, als er seinen Schützling aus sicherer Schatten-Distanz beobachtet beobachtete – und ergänzte »Der Steven ist mir dafür fast zu schade.« Obwohl am Ende ein glattes Ergebnis auf der Anzeige steht (6:1 6:0), spiegelt es keineswegs das Spielniveau wider. Nur die stabileren und sichereren Schläge Stevens, sichern unserem MSCer in entscheidenden Momenten den eindeutigen Vorteil.
In der dritten Partie der Einzelrunde treffen auf Position sechs zwei vermeintlich »Unbekannte« aufeinander: Doch MSC-Neuzugang Kai Breitbach beweist sich als Glücksgriff unseres Trainers Dirk Hortian – denn Kai war bis vergangenen Sonntag in der laufenden Saison ungeschlagen. Eine sichere Bank also. Im Derby traf er auf den ebenso »unbekannten« Daniel Milardovic, eine Neuentdeckung der Rot-Weißen aus dem Umfeld der lokalen Jugend. Jahrelang dominierte Daniel die Turnierlandschaft der Knaben. Im Spiel gegen Kai zeigte der Siebzehnjährige, dass er so langsam seine pubertierende Phase verlassen hat und seinen ehemaligen, leicht süffisanten Blick gegen den eines schüchternen und hochkonzentrierten Tennisspielers eintauschen konnte, der nun inzwischen Extremqualitäten auf dem Tennisplatz entwickelt hat.
Es gelingt ihm, an Kais Selbstvertrauen zu wackeln. Im ersten Satz kommt Kai aus seinen Selbstgesprächen nicht mehr heraus. Fast kein Ball schien dort zu landen, wo Kai ihn hätte gerne platzieren wollen. Trotzdem waren es am Ende nur einige Nuancen und wenige Millimeter, die unseren MSCer vom Erstsatzgewinn abhielten. Mit 6:4 entschied Milardovic Durchgang Eins für sich. Kai war sauer. Eine positivere Haltung im zweiten Satz bescherte ihm dann ein 6:2 – und so kam es zum ersten Matchtiebreak des Tages. Dass Kai Tennis spielen kann, hat er mehrmals bewiesen. Doch nun sollte nur der Sonntag zählen. Mit ansteigender Dramatik gelang es Kai, den Entscheidungssatz mit 10:5 für sich zu entscheiden. Damit sicherte er seinem Team einen weiteren wertvollen Punkt im Abstiegskampf.
Auch Dirk Hortians Gesicht wirkte nun erstmals ein wenig erleichtert. Von seinem Schattenplatz schien er alles im Blick zu behalten. Denn er wusste: Auch die zweite Einzelrunde sollte spannend bleiben, zu viele Überraschungen hat er bereits in den Spielen gegen Rot-Weiß Köln erlebt.
In der zweiten Runde traf die MSC-Nummer eins Alexis Musialek (Frankreich) auf jemanden, der sich ebenso in den vergangenen Jahren einen Namen in der Region gemacht hat. Hazem Naw hat mit seiner »Bazooka«, wie er selbst seine Vorhand nennt, die zweite Einzelrunde kämpferisch einleiten wollen. Das Publikum wurde hochkarätiger: Sogar der ehemalige Tennisprofi Marc-Kevin Göllner findet den Weg in den MSC, um zusammen mit Ehefrau Sina und Hündchen Lola die spielerischen Qualitäten seines Akademietrainers mit rot-weißem Trikot zu analysieren.
Zunächst blieb Hazems »Bazooka« jedoch ein wenig schüchtern, was ein erfahrener Spieler wie Alexis zu seinem Vorteil zu nutzen wusste. Nach dem Verlust des ersten Tiebreaks, warf Hazem seine Maschinerie allerdings so langsam an – und entschied den zweiten Satz mit 7:5 für sich. Für den zweiten Matchtiebreak des Tages schien Hazem entschlossen zu sein, diesen für sich zu entscheiden. Er aktivierte nun seine volle Stärke[TBW1] . Hazems Vorhand war so hart und präzise wie in der ganzen Partie noch nicht, Alexis hechelte von einer Ecke des Feldes zur anderen. Mit dem Rücken zur Wand, währte sich Alexis mit allem, was er hatte – und betete wohl innerlich, dass sich auf der anderen Seite des Netzes ein Fehlerchen einschlich. Genau hier schien er erhört worden zu sein. So ist es ausgerechnet Hazems Vorhand, die beim entscheidenden Punkt die Kugel zentimeterweit ins Aus schleuderte. Nach zweieinhalb Stunden ist Alexis überglücklich, dass er diese Partie im Matchtiebreak mit 10:8 gewinnen konnte.
Unweit vom Center Court entfernt lief derweil eine interessante Partie. Von seiner Verletzung erholt, traf Nikolas Walterscheid-Tukic auf Position drei auf den erfahrenen Pavol Cervenak, dessen Trickkiste mit Stopps und Lobs jedoch Niko unbeeindruckt ließ. Mit seinem mückenartigen Schlachtruf setzte er seine Schläge an und ruckelte treffsicher am Selbstbewusstsein seines Gegners. Am Ende holte Niko seinen wohlverdienten Punkt und überließ Pavol lediglich drei Spielchen auf der Ergebnistafel. 6:0 und 6:3 hieß es am Ende für Niko.
Einen Platz weiter spielte Marvin Greven gegen Lennart Richter auf Position fünf. Wie gewohnt stürzte sich Marvin furios und selbstsicher ins Spielgeschehen. Doch früh schlichen sich manche Unkonzentriertheiten ins Spiel unseres MSCers ein. Dennoch schaffte es Marvin, den ersten Durchgang mit 6:3 für sich zu entscheiden. Dann jedoch entfaltete Lenny sein ganzes Potenzial – und lässt unserem MSCer keine Chance. Mit 6:2 gewann Lenny den zweiten Satz deutlich. Und so ging auch dieses Match in den Matchtiebreak, den dritten des Tages. Nun standen die zahlreichen Zuschauer – viele kamen auch von Rot-Weiß in den MSC – bei dieser nervenaufreibenden Partie am Rand. Der Gipfel der Dramatik schien in diesem Match erreicht: Fehler und Doppelfehler zwischen Winnern und Assen sorgten in diesem Tiebreak für ständige Führungswechsel. Mit 10:8 gewann diesen am Ende Marvin. Damit waren Einzelrunden beendet. Durch die 6:0-Führung unseres MSC war Rot-Weiß Köln II zu diesem Zeitpunkt bereits abgestiegen.
Während sich viele Zuschauer in der Gastronomie mit einem Kaltgetränk von den Einzeln erholten, rätselten die anderen, ob bei diesem Zwischenstand die Doppel noch gespielt werden würden. Zur Erinnerung: Jeder Punkt, jeder Satz und jedes Spiel entscheidet am Ende über Aufstiegs- und Abstiegsrunde. Damit war klar: Natürlich fand die Doppelrunde statt!
Als es so weit war, stehen im ersten gegnerischen Doppel zwei »Giganten« Seite an Seite: Der hochgewachsenen Yannik Born mit seinen donnernden Aufschlägen und kaum zu überbietender Reichweite am Net spielte an der Seite von Pavol Cervenak, der mit seiner Doppel-Erfahrung bereits einige namhafte Gegner erfolgreich schlagen konnte. Den beiden gegenüber standen Niko und Steven – die versprachen, einen harten Kampf zu liefern. Es kam dann aber doch ganz anders. Pavol fand an diesem Tag nicht mehr zu seinem Spiel, auch dann nicht, als sein Partner Yannick Born ihn noch einmal anfeuerte. Die beiden MSCer sicherten sich so mit 6:3 und 6:1 den ersten Punkt der Doppelrunde.
Die anderen beiden Doppel waren indes ein wenig umkämpfter. Alexis Musialek traf gemeinsam mit Kai Breitbach auf Hazem Naw und Mark Mestan. Am Ende holten sich die MSCer mit einem 6:2, 6:4-Sieg den achten Matchpunkt. Das dritte Doppel entschied MSC-Mannschaftsführer Christian Hansen an der Seite von Marvin Greven, die mit 6:3 und 6:3 die letzten wichtigen Punkte sicherten. Das Endergebnis: 9:0 Matchpunkte, 18:3 Sätze und 107:61 Spiele.
Die Telefonschalte nach Brühl, wo die Leverkusener ebenso um den Ligaverbleib kämpften, lief schon lange heiß. Dort schien es auch so einige dramatische Momente gegeben zu haben: In den Einzelrunden gab es pro Mannschaft je eine Spielaufgabe. Zwei weitere Matches wurden im Matchtiebreak entschieden. Ein vielversprechender Gleichstand von 3:3 nach den Einzelrunden ließ bei MSC-Trainer Dirk Hortian die Hoffnung wachsen. Die Doppelrunde entschieden dann jedoch die Leverkusener klar für sich, sodass es aus Brühler Sicht hieß: 3:6 Matchpunkte, 8:13 Sätze und 71:80 Spiele.
Während die abgespielte Dramaturgie den meisten Zuschauern am Platzrand verborgen blieb, entlud sich einstweilen die Spannung unserer Jungs in einem Grundlinien-Ekstasen-Tanz. Während die Endergebnisse noch nicht offiziell ermittelt waren, ging Niko alle Zahlen noch einmal durch: »Nach meiner Rechnung haben wir einen Satz mehr als Leverkusen gewonnen. Also sind wir Zweiter«, wagte Niko seine Berechnungen laut auszusprechen. »Alle Angaben ohne Gewähr«, lächelt er hinterher. Egal: Zum Tanzen reichte es allemal, und es blieb in diesem Moment zu hoffen, dass Nikos Rechnung auch wirklich aufging.
Kurze Zeit später bestätigte der Blick auf die offizielle Regionalligatabelle Nikos Rechnung – zumindest im Endergebnis: Mit 6:4 sind unsere 1. Tennisherren punktgleich mit Leverkusen, haben mit 25:20 das gleiche Matchpunkte-Verhältnis. Letztlich trennen lediglich zwei mehr gewonnene »Sätzchen« unsere MSCer von ihren Verfolgern aus der rechts-rheinischen Nachbarschaft. Das bedeutet: Platz zwei und Aufstiegsrunde.
»Großartige Mannschaftsleistung und verdienter Platz zwei: Sie haben den direkten Vergleich gegen RTHC gewonnen und deren Sieg in Brühl war überraschend, wenn auch nicht ganz unerwartet. Danke, Jungs!«, schickte MSC-President Prof. Dr. Andreas Müller-Wiedenhorn in einen WhatsApp-Chat. »Was für ein geiles Spiel von meinen Jungs!«, schwärmte auch Trainer Dirk Hortian in seiner Euphorie nach dem Spiel und strapazierte arg das digitale Datenkontingent seines Mobiltelefons mit Videos seiner tanzenden Männer auf der After-Match-Party, wo es noch lange feucht-fröhlich zuging.
Am Wochenende geht es für unsere 1. Tennisherren nach Brühl, wo sie zuerst auf die TSC Hansa Dortmund 1 treffen, die die Gruppe B für sich entschieden. Und wer weiß, vielleicht geht nun auch noch mehr.