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SCHLECHTE DRV-BILANZ TROTZ FÖSTERS ENDSPURT ZU EM-BRONZE

Alle Fotos (c) Yannick Schurwanz

Mit einem starken Schlussspurt sichert sich Alexandra Föster Bronze. Fotos: Yannick Schurwanz - Feedbuilders

MÜNCHEN. Ein begeisternder Endspurt von Alexandra Föster zur Bronze-Medaille im Frauen-Einer konnte das schlechte Abschneiden des Deutschen Ruderverbandes bei der Heim-Europameisterschaft innerhalb der European Championships nicht übertünchen. Wie der Deutschland-Achter am Tag zuvor ging auch Oliver Zeidler am Sonntag (14.8.2022) im mit Spannung erwarteten A-Finale des Männer-Einers im Kampf um Edelmetall leer aus. Der Lokalmatador brach kräftemäßig in der Schlussphase des Rennens ein und wurde ebenfalls nur Vierter. Zwei Mal Edelmetall ging auf das Konto des Para-Teams. Damit standen in der Medaillenbilanz des DRV mit ein Mal Silber und zwei Mal Bronze nur Platz acht zu Buche – natürlich zu wenig für den größten und in der olympischen Geschichte erfolgreichsten Ruderverband der Welt.

Fans scheinen den Turbo in Föster zu zünden

Alle Fotos (c) Yannick Schurwanz – anklicken / vergrößern –
Nach dem Umweg über den Hoffnungslauf hatten Alex Föster (RC Meschede) und ihr Trainer Sebastian Kleinsorgen mit Sorgen auf den restlichen Verlauf der EM geblickt. Es schien so, als hätte die 20-Jährige nach ihrem dichten Wettkampfprogramm im A- und im U23-Bereich nicht mehr genug Reserven im Tank. Doch im Halbfinale der Frauen-Einer-Konkurrenz wirkte Föster frischer, als sie es selbst für möglich gehalten hatte. Und im Finale legte sie einen mitreißenden Endspurt hin, der sehr an ihre furiose Siegfahrt beim Weltcup-Finale in Luzern erinnerte. Vierte war sie auch bei der 1500- Meter-Marke noch gewesen, aussichtslos fast drei Sekunden hinter der Österreicherin Magdalena Lobnig zurück. Doch als sie auf die Höhe der auf der geöffneten unteren Hälfte vollbesetzten Tribüne kam, schien die Anfeuerung der deutschen Fans einen Turbo in ihr zu zünden. Föster ließ nicht nach und überholte Lobnig im Ziel tatsächlich noch um 24/100 Sekunden – Bronze! Gold ging an die überragende Niederländerin Karolien Florijn, die bei Fösters Sieg in Luzern pausiert hatte. Silber holte sich die Griechin Evangelina Anastasiadou.

Ich habe erst nach der Ziellinie gemerkt, dass ich noch Dritte geworden bin. Ich ärgere mich ein bisschen, dass die Griechin noch vor mir war, aber nach meinem schlechten Start in die EM bin ich schon zufrieden mit dem Abschneiden“, sagte Föster. Die Aufsteigerin der Saison konnte sich spätestens in München auch daran gewöhnen, „dass der Medienauflauf im A-Bereich kein Vergleich ist mit dem bei der U23“.

Nur Vierter: Oliver Zeidler (Foto) anklicken- bricht ein

 

Das letzte Rennen der EM war das Einer-Finale. 50 Jahre nach dem Olympiasieg seines Großvaters in Oberschleißheim wollte er dem mit seinem zweiten EM-Titel nacheifern, doch es wurde nichts mit der großen Sause von Oliver Zeidler (Frankfurter RG Germania). Er und der griechische Olympiasieger Stefanos Ntouskos lieferten sich lange auf den beiden Mittelbahnen ein faszinierendes Duell um die Führung, keiner der anderen Finalteilnehmer schien da eingreifen zu können. Auf den dritten 500 Metern zog Zeidler an Ntoukos vorbei. Jubel auf der Tribüne, doch alle hatten die Rechnung ohne den Niederländer Melvin Twellaar gemacht. Sein Endspurt war unwiderstehlich, Zeidler übersäuerte, blieb fast stehen und musst auch Ntouskos und den Bulgaren Kristian Vasilev passieren lassen. Nur die Blech-Medaille, das war ein schwerer Schlag für den Deutschen. „Bis 1600, 1700 Meter lief das Rennen genauso, wie ich mir das vorgenommen hatte. Die letzte Phase wollte ich eigentlich etwas taktisch fahren, aber ich musste dann mehr geben, als ich gedacht hatte. Der Wind hinten raus hat Kraft gefressen. Ich musste draufbleiben und dann sind meine Arme blau geworden. Ich konnte sie nicht mehr anziehen, es ging einfach nicht mehr“, sagte Zeidler, der nach dem Rennen gesundheitliche Probleme hatte..

.Mixed-Vierer mit Marchand zu Bronze

 

Nach Silber für Manuela Diening im Einer am Samstag holte der Para-Bereich auch die zweite EM-Medaille für den DRV. Der Mixed-Vierer PR3 mit Jan Hellmich (RC Hansa Dortmund), Kathrin Marchand (RTHC Leverkusen), Susanne Lackner (Mannheimer RV Amicitia), Marc Lembeck (RTHC Leverkusen) und Steuerfrau Inga Thöne (Ulmer RC Donau) belegte den dritten Platz und holte Bronze. Die Hereinnahme der ehemaligen Leistungsruderin und zweifachen Olympia-Teilnehmerin Marchand, die für die gesundheitlich angeschlagene Claire-Marie Janicki hereinkam und auf Position zwei ruderte, brachte dem Boot einen Leistungskick. Marchand war erst in der vergangenen Woche für den Para-Sport klassifiziert worden. Zudem motivierte auch die große Unterstützung von der Tribüne die von David Schäfer betreuten Athleten. „Das waren die schönsten letzten 300, 400 Meter, die ich je hatte“, sagte Marc Lembeck zum Beifall. Großbritannien gewann den EM-Titel vor Frankreich.

Der Para Mixed-Doppelzweier PR2 mit Leopold Reimann (RV Rüdersdorf) und Sylvia Pille-Steppat (Wilhelmsburger RC) kam in seinem Rennen nicht über den fünften und letzten Platz hinaus. Die Ukraine gewann vor Frankreich und Polen, aber auch der Zweier aus Irland war zu stark für das deutsche Boot, das im Rahmen seiner Möglichkeiten ein gutes Rennen fuhr.

Glückwunsch an unser kleines Para-Team, Manuela und der Vierer sind eine solide EM gefahren. Unser Ziel, das Ergebnis des Weltcups von Poznan zu wiederholen, haben wir erreicht“, sagte Para-Bundestrainer Marc Stallberg. Beim Bronze-Vierer gefiel ihm vor allem der gute Vortrieb, der trotz niedriger Schlagzahl erreicht wurde. So wurde der Vorsprung auf Italien gegenüber Poznan deutlich größer. „Sehr ernüchternd“ fand Stallberg hingegen den Auftritt des Zweiers.

Dräger trotz Platz sechs glücklich

Ihr letztes Rennen bei einer Europameisterschaft beendete Marie-Louise Dräger (Schweriner RG) mit dem sechsten und letzten Platz im A-Finale des leichten Frauen-Einers. Es gab Gründe, warum es nicht besser lief für die 41-Jährige. „Ich wollte um die Medaillen mitkämpfen, aber ich hatte in den letzten Wochen Probleme mit meinen Schultern, und das habe ich bei dem Gegenwind hier deutlich gemerkt“, sagte Dräger. Ein Glas Sekt in der Interviewzone hatte sie sich unabhängig vom Abschneiden gewünscht – und das genoss sie auch. „Ich habe hier in Oberschleißheim 1999 mein erstes Leichtgewichtsrennen bestritten, deswegen war es cool, hier im leichten Einer noch mal starten zu dürfen. Und jetzt kommt noch der Bonus mit der Weltmeisterschaft. Ich genieße gerade alles, auch wenn es ohne Medaille ausgegangen ist.“ Wie alle DRV-Teilnehmer freute es Dräger sehr, vor großem Publikum und vor deutschen Fans starten zu können. Sohn Ben (9) ist traurig, dass die Mama ihre lange und erfolgreiche Karriere nun bald beenden wird. „Nächstes Jahr kommt er ins Gymnasium, da ist es besser, wenn ich mehr Zeit für ihn habe“, sagt Marie-Louise Dräger.

Frauen-Achter auf Rang fünf

Für den erst vor wenigen Wochen gebildeten Frauen-Achter war im A-Finale nicht mehr als der fünfte Platz möglich. Dänemark konnte das DRV-Boot hinter sich lassen, mit der Medaillenvergabe in einem schnellen Rennen hatten die deutschen aber Frauen nichts zu tun. Rumänien gewann vor Großbritannien und den Niederlanden, auch Italien landete vor der DRV-Mannschaft. Sie wurde gebildet von Hannah Reif (RK am Wannsee), Lena Sarassa (Crefelder RC), Melanie Göldner (RC Potsdam), Alyssa Meyer (RC Tegel), Nora Peuser (RU Arkona Berlin), Tabea Kuhnert (SC Magdeburg), Lisa Gutfleisch (Heidelberger RK), Katja Fuhrmann (Laubegaster RV Dresden) und Steuerfrau Larina Hillemann (Lübecker RG).

Leichter Frauen-Vierer unterliegt Italien

Im A-Finale des leichten Vierers der Frauen war das Ergebnis das Gleiche wie im Bahnverteilungsrennen: Italien siegt gegen die deutsche Mannschaft. Dafür gab es auch Gold, während die deutschen Frauen aufgrund der Regeln keine Medaillen bekamen. Rieke Hülsen (TSV Otterndorf), Romy Dreher, Katrin Volk (beide Ulmer RC Donau) und Cosima Clotten (Neusser RV) bildeten das Boot.

Leichter Frauen-Doppelzweier auf Rang neun

Im einzigen B-Finale des Sonntags mit DRV-Beteiligung trat der leichte Frauen-Doppelzweier an. Die Zwillinge Marion und Johanna Reichardt, die seit diesem Jahr für den Akademischen Ruderclub Würzburg starten, ruderten auf Platz drei in dem Sechserfeld und kamen als Gesamt-Neunte damit zu einem befriedigenden Abschluss.

Anschluss an Top-Nationen verloren
Bei der EM hat sich gezeigt, dass der DRV in Europa den Anschluss zu den sportlichen Top-Nationen Großbritannien (6 Gold, 3 Silber, 1 Bronze), Rumänien (5-0-3), Italien (4-2-3) und Niederlande (2-4-3) verloren hat. 2023 ist die Weltmeisterschaft auch die Qualifikationsregatta zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Dort muss die Abwärtsspirale gestoppt werden. „Wir befinden uns in einem Orientierungsjahr. Bei der WM 2023 müssen wir aber in der Lage sein, anzugreifen. Darauf arbeiten wir hin und müssen stärker zusammenrücken“, sagt Sportdirektor Mario Woldt. Ab dem Herbst ist geplant, die Zentralisierung des A-Kaders auf wenige Stützpunkte wieder stärker umzusetzen, um im Hinblick auf Olympia effektiver mit den Booten arbeiten zu können. Ausgenommen von der Zentralisierung bleiben die Individualisten, der männliche und weibliche Einer-Bereich. Dazu soll die Kommunikation mit den Athleten verbessert werden.

Große Rückstände, technische Defizite
In der fünfwöchigen WM-Vorbereitung muss nun erst einmal versucht werden, viele Boote schneller zu machen. Die großen Rückstände mancher Boote gegenüber der Konkurrenz haben Bundestrainerin Brigitte Bielig sehr gestört. Deshalb müsse im physischen Bereich, teilweise aber auch an der Rudertechnik gearbeitet werden. „Die Bedingungen bei der EM waren durch den Gegenwind schwierig, aber sie haben gezeigt, dass es technische Defizite gibt“, sagt Bielig. 

Über die Nominierung des WM-Kaders wird in den nächsten Tagen entschieden. Klar ist jedoch schon, dass der DRV mit einem kleineren Aufgebot als bei der EM zu den Weltmeisterschaften nach Racice (Tschechien) fahren wird. Im Männer-Skull-Bereich, der bis auf Zeidler wegen Corona-Erkrankungen nicht in München starten konnte, wird es aufgrund der mäßigen Weltcup-Ergebnisse noch personelle Veränderungen geben.

Der Fahrplan der WM-Vorbereitung
„Für uns heißt es jetzt Training, Training, Training“, sagt Bielig. Der komplette Männer-Bereich bis auf Oliver Zeidler startet die intensive WM-Vorbereitung bereits am Montag (15.8.2022) mit einem 15-tägigen Wasser-Trainingslager in Völkermarkt (Österreich). Einen neuen Weg beschreitet der komplette Frauen-Bereich bis auf Alexandra Föster, der vom 17. bis 28. August im Gebirgsort Zakopane (Polen) ein reines Athletik-Trainingslager bestreitet. Mit Krafttraining, Ergometerfahren, Radfahren und Wandern soll die physiologische Basis verbessert werden. Die unmittelbare Wettkampfvorbereitung führt den kompletten WM-Kader dann nach Italien. Am Lago di Comabbio in der Lombardei beziehen Frauen (31.8. – 10.9.) und Männer (2. – 9.9.) getrennte Standorte. Am 14. September erfolgt die gemeinsame Anreise nach Racice.

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