KOBE. (JAP) Platz sechs zum WM-Auftakt: Lise Petersen zeigte eine ordentliche Leistung als einzige deutsche Athletin zum Start der Para Leichtathletik-WM im japanischen Kobe, war aber dennoch enttäuscht. Die ersten Medaillenchancen warten auch dank Titelverteidiger Léon Schäfer am Wochenende.
„Ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich habe mir mehr erhofft, weil die Saison so gut losgegangen ist“, sagte Lise Petersen, die sich Mitte Februar in den Vereinigten Arabischen Emiraten erst auf 36,51 Meter in Khorfakkan gesteigert und dann in Dubai 37,46 Meter nachgelegt hatte, in Kobe nun aber nur auf 34,68 Meter im vierten Versuch kam: „Ich weiß auch nicht, ob ich heute zu viel wollte und mir zu große Ziele gesetzt habe.“
Nach drei Versuchen lag die 18-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen, die in Heide in Schleswig-Holstein geboren wurde und in Hamburg studiert, überraschend auf Rang vier. Mit ihrer Bestweite hätte die Athletin von Sara Grädtke und Steffi Nerius, die in Hamburg bei Michael Schild trainiert, sogar die Medaillen angreifen können. „Weil dann in der ersten Runde irgendwie keiner so richtig gezeigt hat, dass er das Ding gewinnen will, habe ich da zu viel reingelegt und es am Ende nicht ganz so machen können, wie ich es gerne hätte.“
So blieb am Ende Rang sechs, wie es auch die Vorleistungen vermuten ließen. Zum Vergleich: Mit 32,46 Metern wurde Petersen in Tokio Siebte, im vergangenen Jahr warf sie bei der WM in Paris 33,17 Meter und belegte Rang acht. Rang sechs mit einer 34 vor dem Komma war also eine erneute Steigerung für die jüngste deutsche Athletin bei den Paralympics 2021 in Tokio, doch das war kurz nach dem Wettkampf nur ein schwacher Trost: „Ich hätte gerne gezeigt, was ich diese Saison schon zeigen konnte und mit 36 oder 37 Metern wäre es auch eine ganz andere Platzierung geworden. Aber alles in allem ist das für mich voll okay, ein 6. Platz ist ein guter Zwischenschritt auf dem Weg und ich glaube, da ist noch mehr drin.“
Für die restlichen Tage in Kobe hatte sie auch direkt einen Plan: „Ich will ein bisschen was von Japan sehen und werde das Wochenende frei machen. Ab Montag gehen wir wieder ins Training und machen da weiter, wo wir aufgehört haben.“ Ab dem 28. August gibt es bei den Paralympics in Paris schließlich auch noch eine Chance, Bestweiten anzugreifen – und bis dahin eine Norm, die noch erfüllt werden muss.
Para Leichtathletik-WM: Léon Schäfer springt zum Titel-Hattrick
Im Regen von Kobe flog Léon Schäfer bei der Para-Leichtathletik-WM wie 2023 im letzten Versuch zum WM-Sieg und machte den Titel-Hattrick perfekt. Jule Roß sprintete über 100 Meter zu Platz sechs und bejubelte ihre beste WM-Platzierung.
Léon Schäfer bot den vielen Zuschauenden, die trotz des strömenden Regens den Weg ins Universiade Memorial Stadium gefunden hatten, beste Unterhaltung. Bereits im vergangenen Jahr bei der WM in Paris sprang er im letzten Versuch zum Weltrekord und entriss Joel de Jong die sicher geglaubte Goldmedaille. Dieses Mal wiederholte sich das Drama aus Sicht des Niederländers, der im ersten Versuch 6,82 Meter vorlegte, sich mit 7,02 Metern im vierten erst an Schäfers 7,03 Meter aus dem dritten Sprung heranrobbte, um diese dann in seinem letzten um einen Zentimeter zu überbieten: 7,04 Meter!
So waren wieder alle Augen auf den Athleten vom TSV Bayer 04 Leverkusen gerichtet, der völlig durchnässt nach dem Wettkampf verriet: „Ich pushe mich in so einem Moment selbst. Ich stand im Anlauf und habe mir gesagt: Okay, du bist dafür gemacht, du bist ready. Irgendwie brauche ich den Druck. Das macht es spannend – nicht nur für mich, auch für die Zuschauer. Es ist einfach geil, dass da jemand ist, der mich quasi so ein bisschen ärgern will, aber ich weiß natürlich: Im Endeffekt kann er mir nichts.“
Schäfer sprang und brachte den deutschen Anhang um seinen Trainer Erik Schneider sofort zum Jubeln: 7,22 Meter – WM-Titel-Hattrick und nur drei Zentimeter unter seinem Weltrekord! „Es war mein Ziel, hier das dritte Ding in Folge zu holen und ich habe es geschafft. Ich bin sehr, sehr glücklich und stolz auf mich selbst, aber die Mission ist noch nicht vorbei“, sagt der gebürtige Bremer mit Blick auf die Paralympics in Paris, die am 28. August beginnen.
Zudem startet der 26-Jährige am Samstag noch über 100 Meter ebenfalls mit dem Ziel, dort Gold zu holen. Es wäre sein erstes im Sprint: „Ich entspanne mich jetzt 1-2 Tage, fahre ein bisschen runter, aber auch nicht zu viel und dann wieder rein in den Fokus, 100 Meter rasieren und dann die Season bei uns in Europa, in Deutschland genießen. Und dann natürlich alle Augen auf Paris.“
Jule Roß sprintet erst zur Bestzeit und dann auf Rang 6
Jule Ross ist Gate3 Photo Agency / Marco Mantovani
Jule Roß hatte ihre Ziele schon am Samstag abgehakt. „Ich bin der glücklichste Mensch gerade und ich muss nicht mal auf den Hot Seat“, sprudelte es aus der 17-Jährigen heraus, die von Kira Biesenbach trainiert wird. In 12,78 Sekunden hatte sie ihre Bestzeit um ein Hundertstel verbessert und erreichte als Dritte ihres Laufs und Gesamt-Vierte das Finale direkt. „Einmal ins Finale kommen war mein großes Ziel hier. Dass es mit Bestzeit klappt, macht mich umso glücklicher“, sagt Roß, die das Finale „mit Spaß und ohne Druck“ angehen wollte.
Am Sonntag wurde sie dann im Regen in 13,11 Sekunden Sechste und holte ihr bestes WM-Ergebnis überhaupt. „Damit hätte ich vor der WM nicht gerechnet, Platz sechs der Welt – da bin ich ganz zufrieden damit“, sagte die Vielstarterin, die noch über 200 und 400 Meter sowie im Weitsprung antreten wird: „Ich will da einfach mit Spaß dran gehen. Ich weiß, dass ich es draufhabe, und dann gucken wir, wie es wird.“
Am Montag ist der einzige Tag ohne Bayer-Start, am Dienstag sind dann Jule Roß im 400-Meter-Vorlauf und die Japanerin Tomomi Tozawa im 100-Meter-Finale dran. Am Mittwoch stünde der Endlauf für Roß auf dem Plan, zudem sind am Abend japanischer Zeit Markus Rehm, der in Innsbruck am Samstag mit 7,97 Metern nicht zufrieden war, Noah Bodelier und der Grieche Stelios Malakopoulos im Weitsprung dabei.
Nach den Weitsprung-Wettbewerben von Tozawa am Donnerstag und Roß am Freitag kann es am abschließenden Samstag noch mal medaillenträchtig werden: Schäfer will über 100 Meter ebenso Gold wie Johannes Floors über 400 Meter. Über die Stadionrunde wird auch Malakopoulos antreten, Jule Roß sprintet über 200 Meter.