SZEGED. (HUN) Es hätte wirklich nicht besser laufen können: Beide Vierer der Deutschen Nationalmannschaft im Kanu-Rennsport setzen sich gegen die Konkurrenz durch und holen den Sieg beim ersten Weltcup des Jahres in Szeged (Ungarn). Auch ansonsten sind die deutschen Boote in der Weltspitze vertreten.
Zum Auftakt der Finalläufe stand der K4 der Damen an. Das Boot wurde für den Weltcup zum Teil neu aufgestellt, gegenüber den Weltcups im Vorjahr gleich auf drei Positionen. Das Erfolgsduo aus dem K2, Paulina Paszek und Jule Hake, wechselte in Szeged in den Vierer. Auch Pauline Jagsch kehrte zurück, nachdem sie im Vorjahr vor allem im K1 unterwegs war. Doch das Quartett zeigte keinerlei Anpassungsschwierigkeiten und bewies mit dem Sieg im Vorlauf am Freitag schon, dass es zu den Favoriten zählt. Doch am Samstag begeisterten die vier Athletinnen auf ganzer Linie: Gegen die versammelte Weltkonkurrenz fuhr der deutsche K4 das Rennen von vorne weg und ließ sich die Führung im Endspurt nicht mehr nehmen. „Unsere Trainer sagten uns, dass wir gewinnen werden, wenn wir nach 400 Metern vorne sind. Genau so kam es dann auch“, erklärt eine sehr emotionalisierte Sarah Brüßler, die ebenfalls Teil des Bootes war. Dass der Erfolg keinesfalls durch Zufall zustande kam, erklärt Schlagfrau Paulina Paszek: „Jule und ich kennen uns bestens, doch es sind ja noch zwei dahinter. Im K4 wird durch die Schlagzahl der Rhythmus komplett anders als im K2 und dementsprechend mussten wir uns alle umstellen. Ich bin begeistert, dass das so schnell geklappt hat.“ Dabei geht es lange nicht nur um die technischen Aspekte, wie Brüßler – mit 30 Jahren die erfahrenste Athletin im Boot – hinzufügt: „Neben vier verschiedenen Schlagweisen gibt es in einem Boot immer auch vier unterschiedliche Charaktere, die muss man unter einen Hut bekommen und das gelingt uns vom Start weg sehr gut.“
Gerade als die Damen im Ziel ihren Sieg feierten, ging der Blick zurück Richtung Start. Dort machten sich die Männer für ihren K4 bereit. Auch hier hatte das deutsche Boot den Vorlauf klar gewonnen. Doch in der extrem engen Weltspitze bei den Herren kann sich das Kräfteverhältnis über Nacht schnell verändern – aber nicht heute: Das amtierende Weltmeisterboot, auch „Deutschland-Vierer“ genannt, behauptete sich vorne und machte dank eines hervorragend getimten Endspurts den Sieg perfekt. Und das, obwohl gar nicht alles glattlief, wie Schlagmann Max Rendschmidt erklärt: „Beim Start habe ich irgendwie das Paddel zu sehr verdreht. Ich bin sehr überrascht, dass wir trotzdem so gut weggekommen sind. Trotz dieses Fehlers zu gewinnen zeigt uns, dass wir uns in einer sehr guten Frühform befinden.“ In den nächsten Wochen will das Viergespann bestehend aus Rendschmidt, Max Lemke, Jacob Schopf und Tom Liebscher-Lucz noch an diesen Feinheiten arbeiten, um für Olympia das perfekte Rennen abliefern zu können.
Erfreut über diesen perfekten Start bei den K4 ist auch Sportdirektor Jens Kahl, der sich mit dem Trainerteam in ihrer Entscheidung für die Bootszusammenstellungen bestätigt sieht: „Ziel war es, dass wir möglichst viele Sportlerinnen und Sportler für die Kernmannschaft für Olympia vorselektieren können. Darum haben wir die Vierer so stark wie möglich besetzt. Dass es gleich so aufgeht mit zwei Siegen, ist natürlich umso erfreulicher. Das gibt Zuversicht, zumal wir in der Regel ja zu Olympia nochmal ein wenig zulegen können. Das zu wissen, ist sehr beruhigend.“
Zwar gab es am ersten Finaltag in der Folge keine weiteren Medaillen mehr, doch auch in den anderen olympischen Distanzen befand sich Deutschland stets auf Augenhöhe mit der Weltspitze. Platz 6 war es für das Duo bestehend aus Lisa Jahn und Hedi Kliemke im olympischen C2 der Damen, Rang neun sprang in einem für Moritz Adam und Nico Pickert etwas verkorksten Finale im Herren-C2 heraus. „Wir haben das Pech, dass gerade im Herren-C2 unser Weltmeisterboot mit Peter Kretschmer /Tim Hecker krankheitsbedingt sich nicht so zeigen konnte wie erhofft. Dementsprechend müssen wir das dann beim nächsten Weltcup in 14 Tagen nachholen“, erklärt Kahl. Position sechs war es derweil für Felix Frank und Moritz Florstedt im olympischen K2 über 500 Meter. Die beiden Athleten sind seit diesem Weltcup wieder zusammen unterwegs, nachdem sie bereits 2022 gemeinsam im Zweier antraten. Ein solides Comeback, das der Sportdirektor aber noch mit „Luft nach oben“ einstuft.
Am Sonntag stehen im ungarischen Szeged noch weitere Finalläufe an, darunter die olympischen Einer der Herren im Kajak und Canadier über 1000 Meter. Hier wird Jakob Thordsen im K1 antreten, im C1 sind es Sebastian Brendel und Conrad Scheibner. Im K1 der Damen über 500 Meter treten mit Pauline Jagsch und Jule Hake zwei Athletinnen aus dem bereits erfolgreichen K4 auch im Einer an.
Auch Parakanuten bei der Musik dabei: Lillemor Köper Vierte im Va´a, Edina Müller im Finale
Sehr zufrieden zeigte sich Bundestrainer André Brendel mit der Vorstellung der Damen im Kajak. „Sie haben souveräne Leistungen gezeigt. Unser Saisonaufbau ist ja vorrangig auf die Paralympics im September ausgerichtet. Dafür war das hier schon sehr gut.“ Sagte er in der Analyse nach den Vorläufen. Edina Müller, Paralympics Siegerin von Tokio, kam mit einem starken zweiten Platz in der Startklasse Kl 1 direkt ins Finale. Dort wird sie am Samstag auf die Dauerrivalinnen aus der Ukraine, Chile und Kanada treffen. Die 40-jährige Rollstuhlfahrerin vom Hamburger KC steuert mit Paris ihre fünften Paralympics an. Seit 2016 ist sie im Parakanu am Start, davor war sie bereits zwei Mal mit der deutschen Rollstuhlbasketball-Mannschaft auf dem Podest. In der schnellsten Startklasse Kl 3 wurde Felicia Laberer vom SC Grünau Berlin noch auf der Ziellinie von Hope Gordon aus Großbritannien abgefangen. Sie wird daher morgen den Zwischenlauf für den Einzug ins Finale fahren müssen. Die Dritte der Paralympics von Tokio hat ebenso wie Anja Adler, die sich bereits gestern für das Finale qualifizierte, den Quotenplatz für Paris bereits in Duisburg festgemacht.
Bereits am Vormittag fuhr Lillemor Köper, Hamburger SV, ihr Finale in der Startklasse Vl 1. Die Rollstuhlfahrerin kam auf Platz Vier ein. Sie hatte bereits im Vorfeld angedeutet, dass der Saisonhöhepunkt für sie mit Anfang Mai zu früh kommt. Sie konnte lange mit den Führenden mithalten. Die Starterin in der Vl 1 kann in der kalten Jahreszeit nicht im Boot trainieren, sondern weicht dann auf die Skier aus und trainiert eher unspezifisch. „Da fehlen jetzt noch die Kilometer im Boot“ war dann das Resümee des Bundestrainers.
Anas Al Khalifa fuhr in der Startklasse Vl 2 ein ganz starkes Rennen im Zwischenlauf und konnte sich damit für das B-Finale am Samstag qualifizieren. „Ich bin sehr zufrieden mit meinem Rennen.“ Sagte er danach mehrfach. Sein Vereinskamerad Maik Polte vom SV Halle schied im Zwischenlauf der Startklasse Vl 3 aus.
Insgesamt wird es die größte Parakanu-Weltmeisterschaft seit Beginn der offiziellen Meisterschaften vor 15 Jahren. 36 Nationen haben die Rekordzahl von 194 Parakanuten gemeldet. Brasilien stehlt die größte Mannschaft mit 12 Sportlerinnen und Sportlern, gefolgt von Indien, Großbritannien, Spanien und Italien mit elf Parakanutinnen und Parakanuten. Deutschland hat sieben Teilnehmer entsandt.
Alle Ergebnisse und Zeitpläne des Weltcups in Szeged finden Sie unter: https://results.szeged2024.com/results/competition/1/races