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ROSSKOPFS OLYMPIA-HASSLIEBE

Interviews mit Jörg Roßkopf und Anja Gersdorf Beim Größten sind alle am schlechtesten vorbereitet: „Auf der einen Seite hasst man es, weil man sonst das ganze Jahr über top vorbereitet ist und sich gerade hier ja am besten vorbereiten will – aber ausgerechnet das ist bei Olympia echt schwierig. (…) Auf der anderen Seite ist es toll, Olympia spielen zu können, weil das einfach das Größte ist“, sagt der achtfache Olympia-Teilnehmer und Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf. Aber zuerst geht es um das gemischte Doppel von Patrick „Franz“ Franziska und Petrissa „Peti“ Solja, die am Samstag für das Mixed-Achtelfinale zuerst für Deutschland in die Box steigen, gecoacht von Roßkopf. -

TOKIO. Er war an acht von neun Olympischen Spielen mit Tischtenniswettbewerben dabei: Jörg Roßkopf war von Seoul 1988 bis Athen 2004 als Spieler der Leitwolf von Deutschlands Herren, gewann 1996 Bronze im Einzel und zusammen mit Steffen Fetzner vier Jahre später Silber im Doppel. Seit London 2012 ist er als Bundestrainer mit dabei. Im Interview spricht er von seiner Hassliebe zu den Sommerspielen und erzählt, wie er mit der Anspannung umgeht, denn „definitiv ist die Anspannung als Trainer größer“. Aber zuerst geht es um das gemischte Doppel von Patrick „Franz“ Franziska und Petrissa „Peti“ Solja, die am Samstag für das Mixed-Achtelfinale zuerst für Deutschland in die Box steigen, gecoacht von Roßkopf.

Welche Chancen hat unser Mixed?
Jörg Roßkopf:
Wir hoffen natürlich auf einen Sieg morgen, ins Viertelfinale zu gehen, und dann wird es ein tolles Spiel gegen Jun Mizutani und Mima Ito. Es ist etwas Besonderes, hier in Tokio gegen die Japaner spielen zu dürfen. Wenn man im Viertelfinale ist, will man natürlich auch weiter, aber es ist eine schwierige Auslosung.

Coachst du ein gemischtes Doppel anders als deine Herren sonst? Machst du Unterschiede bei der Betreuung?
Roßkopf: Ich habe Peti und Franz schon oft im Mixed betreut und spreche mich vorher mit Jie (Anmerkung: Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp) ab. Es gibt da keinen Unterschied, schließlich betreue ich beide gleichzeitig. Du kannst ja nicht dem einen mehr und dem anderen weniger sagen. Du gehst als Betreuer auf die jeweilige Situation ein. Peti ist eine sehr sichere Spielerin und Franz macht die risikobehafteteren Sachen. Peti nimmt den Druck raus, platziert sehr gut. Franz muss Power und Kreativität entwickeln. Peti ist eine top Doppel- und Mixedspielerin und deswegen brauche ich ihr gar nicht viel zu sagen.

Im Mixed kommen ja Damen und Herren zusammen und damit auch zwei verschiedene Bundestrainer. Wie läuft die Taktikvorbesprechung da ab?
Roßkopf:
Es ist immer ein gutes Zusammenspiel mit Jie. Mit ihr und den Spielern zusammen gucken wir die Videos der nächsten Gegner, die Sascha Nimtz vom IAT in Leipzig für uns zusammengestellt hat. So vorbereitet geht es dann ins Spiel hinein. In der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung, in der Trainingshalle, bin ich dann dabei, weil ich die beiden ja auch coache.

Analysiert ihr schon jetzt Videos möglicher nächster Gegner?
Roßkopf:
Nein, wir analysieren auf keinen Fall Videos über die nächste Runde hinaus. Etwas anderes bringt nichts. Die nächste Videoanalyse werden wir morgen nach dem Spiel hoffentlich für das Viertelfinale machen.

Dich und Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp wird man in den verschiedenen Wettbewerben in Tokio an der Box sehen. Wie viele Trainer sind im Hintergrund am Gelingen beteiligt?
Roßkopf:
Jie, Lars (Anmerkung: Herren-Assistenztrainer Lars Hielscher) und ich sind zusammen mit Richie (DTTB-Sportdirektor Richard Prause) vor Ort in Tokio, aber es waren in der Vorbereitung noch viel mehr beteiligt. Wir sind ein tolles Trainer-Team beim DTTB. Alles passt wirklich sehr gut und hat auch in der Vorbereitung optimal geklappt. Das gilt nicht nur für uns Trainer inklusive Sascha Nimtz, sondern auch von Physiotherapie und Athletiktrainern in Düsseldorf und am Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt über unseren Mannschaftsarzt Dr. Toni Kass bis hin zu unserem sportpsychologischen Experten Dr. Christian Zepp.

Wie groß ist deine persönliche Anspannung bei Olympia und wie wirkt sie sich aus?
Roßkopf:
Ich brauche sowieso wenig Schlaf und will mich immer viel bewegen. Das bedeutet, dass ich früh morgens schon Sport mache. Es ist mir wichtig, dass ich dadurch auch mal rauskomme. Olympia ist etwas Besonderes. Das ist keine Routine, und bei Olympia passiert auch immer etwas Neues. Da ist es wichtig, dass unser Team gut funktioniert. Die Jungs machen das echt gut in ihrem Vierer-Apartment, auch wenn sie hier bei Olympia ganz unterschiedlich sind: der eine ist ein bisschen nervöser, der andere ein bisschen ruhiger. Benne (Anmerkung: Team-Ergänzungsspieler und Olympia-Debütant Benedikt Duda) hat übrigens von den älteren Spielern eine To-Do-Liste bekommen, was er am Tag erledigen muss, denn die älteren Spieler müssen sich ausruhen.

War die Anspannung als Spieler oder als Trainer schlimmer?
Roßkopf:
Definitiv ist die Anspannung als Trainer größer. Als Spieler weiß man, dass man irgendwann alles erledigt hat. Als Trainer kommen verschiedene Sachen dazu, die man nicht vorausberechnen kann. Ich kenne schon vieles, aber es gibt immer wieder Dinge, die neu dazukommen. Wichtig ist, dass man als Trainer die Ruhe bewahrt und dies nach außen zeigt. Wenn man den Spielern das Gefühl gäbe, dass man selbst angespannt ist, wäre das für die Spieler kontraproduktiv.

Was machst du, um abends runterzukommen?
Roßkopf:
Ich brauche nicht groß runterzukommen. Wie ich schon gesagt habe, brauche ich wenig Schlaf. Daher bin ich auch nicht früh im Bett. Stattdessen sitzen wir zusammen, reden noch ein bisschen und planen den nächsten Tag, machen die Videoanalysen und besprechen das mit den Spielern. Ab und zu schaue ich mal einen Film, aber meistens quatschen wir.

Was genießt du bei Olympia am meisten, was hasst du am meisten?
Roßkopf:
Bei Olympia ist einiges anders. Wenn die Jungs bei anderen Turnieren unterwegs sind, haben sie in einem guten Hotel ein Einzel- oder Doppelzimmer. Hier sind sie zu viert in einem hellhörigen Apartment. Man muss mit mehr Leuten zusammen sein. Es gibt einen anderen Ablauf als sonst, weil man bei Olympia nicht so viele Trainingshallen und -zeiten hat. Darauf muss man sich einstellen. Bei einer WM haben wir unser großes Staff dabei. Das geht hier nicht.
Auf der einen Seite hasst man es also, weil man sonst das ganze Jahr über top vorbereitet ist und sich gerade hier ja am besten vorbereiten will – aber ausgerechnet das ist bei Olympia echt schwierig. Es ist schwierig von der Konzentration her und dem ganzen Drumherum, das man vier, diesmal sogar fünf Jahre nicht gewohnt ist. Auf der anderen Seite ist es toll, Olympia spielen zu können, weil das einfach das Größte ist.

Da muss man sich zusammenreißen, weil viele Menschen hier sind und man abgelenkt wird. Da heißt es einfach: Trainingshalle, zurück ins Dorf, essen, ins Apartment, die Ablenkungen runterfahren und runterkommen. Diesmal gibt es weniger Ablenkung als sonst, weil man sich keine anderen Sportarten anschauen kann. Unser Ziel ist, hier gut zu spielen und deshalb gilt: volle Konzentration auf unseren eigenen Wettbewerb. Bisher haben wir ja immer das Beste daraus gemacht.

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