- von LOKALSPORT - über SPORT REGIONAL - bis SPORT INTERNATIONAL -

„DIE ENTTÄUSCHUNG SITZT TIEF“

KOLDING. (BP) DHB-Präsident Andreas Michelmann, DHB-Sportvorstand Axel Kromer und Bundestrainer Henk Groener äußern sich zum deutschen Abschneiden bei der Frauen-EM in Dänemark

Mit dem 20:23 gegen Kroatien endete die EHF EURO 2020 in Dänemark für die deutschen Frauen früher als sie es sich gewünscht und erhofft hatten. Halbfinale und Spiel um Platz 5/6 wurden verpasst, am Ende stand Rang sieben.

Am späten Dienstagabend zogen DHB-Präsident Andreas Michelmann, DHB-Sportvorstand Axel Kromer und Bundestrainer Henk Groener im abschließenden virtuellen DHB-Medientermin ihre EM-Bilanz. Am frühen Mittwochmorgen reiste die Mannschaft ab Billund zurück nach Deutschland.

Bundestrainer Henk Groener:

Wir haben uns heute sehr schwer dabei getan, den Ball im gegnerischen Tor unterzubringen. 20 Tore sind zu wenig, wir hatten die Chancen, aber haben zu wenig davon so umgesetzt, wie wir es wollten. Die Enttäuschung sitzt tief, denn wir haben daran geglaubt, dass das Halbfinale machbar ist, wir haben es aber nicht auf die Platte gebracht.

Es war eine verkorkste Vorbereitung, in der Hauptrunde haben wir uns gegen Ungarn und die Niederlande gesteigert, uns dann aber gegen eine kroatische Mannschaft schwergetan, die das Spiel extrem verlangsamt hat, und unsere Chancen nicht reingemacht. Das Turnier ist für uns zu Ende, das ist schade, wir hatten mit zwei Punkten nach der Vorrunde die Ausgangslage, die wir wollten, aber wir waren nicht gut genug.

Man kann nach diesem Corona-Jahr, in dem die meisten Spielerinnen kaum Handball gespielt haben, nicht von einer Weiterentwicklung sprechen. Es war ein Niveauerhalt im Vergleich zur WM 2019, es war kein Schritt nach vorne. 2018 waren wir EM-Zehnter, jetzt sind wir Siebter, andere Mannschaften haben sich auch schwergetan. Für Weiterentwicklung braucht man mehr Zeit miteinander.

EM- oder WM-Turniere zeigen uns klar wo unsere Grenzen sind, speziell, was die Abschlussquote betrifft. Wir haben zu viele Spielerinnen die nicht tagtäglich auf dem Niveau spielen, mit dem wir hier konfrontiert werden, so was kann dann zu Verunsicherung führen. Es ist eine Frage der Qualität, und wir sind noch nicht so weit, wie wir gehofft hatten.

Wir können mit Vereinen und mit Spielerinnen sprechen, um die eigenen Ansprüche im Training zu erhöhen. Wenn wir um Medaillen spielen wollen, brauchen wir Spielerinnen, die vollprofessionell an sich arbeiten. Und vielleicht muss man auch an der Erwartungshaltung arbeiten und die Ansprüche runterschrauben. Das Halbfinale wird vor jedem Turnier als Ziel genannt, obwohl wir seit 2008 kein Halbfinale mehr bestritten haben. Vielleicht wird es dann für die Spielerinnen einfacher, am eigenen Anspruch zu wachsen, siehe die Kroatinnen bei diesem Turnier, die unverkrampft aufspielen können.  Die Mannschaft hat hohe Ansprüche an sich selbst, aber jede geht anders mit Druck um. Einige brauchen Druck, andere brauchen ihn nicht.“

DHB-Präsident Andreas Michelmann: „Zunächst einmal geht unser Dank an die Dänen, weil sie als Veranstalter die Verantwortung übernommen haben, Mut zum Risiko hatten und wie sie alles sicher organisiert haben. Sie haben gezeigt, dass man zu Corona-Zeiten ein internationales Großturnier veranstalten kann. Unterbringung und Versorgung waren erstklassig.

Wir als DHB haben gezeigt, wie man es machen kann, eine Mannschaft rechtzeitig vor einem Turnier in Quarantäne zu schicken, damit die Spielerinnen sicher in die Bubble geschickt werden können und eigentlich nichts mehr passieren kann, wenn sich alle konsequent und diszipliniert verhalten.

Ich habe zweieinhalb Wochen vor Ort mit der Mannschaft mitgelitten, habe alle Höhen und Tiefen miterlebt. Die Vorbereitung war alles andere als optimal, daher war die Vorrunde so etwas wie ein Einrollen. Dann lief es so gut, dass wir hätten ins Halbfinale vorstoßen können. Dass es aber erneut nicht geklappt hat, zeigt die Grenzen, die wir haben.

Wir haben den besten Trainer, den ich mir vorstellen kann, und ich bin teilweise etwas erstaunt, wie sich Trainerkollegen über andere äußern. Wir haben einen exzellenten Trainer, was menschliches Format und Können betrifft. Teilweise sind wir auf dem Sprung, wie 2018 und 2019 die Siege gegen Norwegen und die Niederlande zeigen. Wir haben aber nicht ansatzweise die strukturelle Stabilität, wie sie Norwegen oder die Niederlande haben. Wir als DHB müssen die Strukturen so ändern, dass wir langfristig erfolgreich sind. Unser Ziel ist die Heim-WM 2025, bis dahin haben wir einige Baustellen, die Trainerstelle gehört aber ausdrücklich nicht dazu.“

DHB-Sportvorstand Axel Kromer: Wir sind gegen Kroatien unter unseren Möglichkeiten geblieben. Wir hatten zweieinhalb gute Leistungen, sind aber sonst nicht an die Leistungsgrenze gegangen. Deswegen können wir nicht von einer gelungenen EM sprechen. Natürlich war die Vorbereitung nicht optimal, wir hatten nur einen Lehrgang in einem Jahr, aber so ging es auch anderen Nationen, und daher sind wir ein fairer Verlierer. Wir hatten gute Voraussetzungen, haben es aber nicht geschafft mehr zu erreichen, da hat uns das Zeug dazu gefehlt.

Mein Dank geht an alle Spielerinnen und den gesamten Trainer- und Betreuerstab inklusive André Fuhr, denn es war nicht einfach in diesen Zeiten eine EM so anzugehen, die Spielerinnen hatten eine gute Stimmung im Team, aber es hat sportlich nicht gereicht.“

Liebe Leserin, lieber Leser
des SPORT-MEDIUMS – sport-rhein-erft.de,

 

wir freuen uns, wenn Sie unsere Arbeit mit einem monatlichen ABO in Höhe von 3,--€, 5,-- € oder 10,-- € unterstützen.

 

Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag