LEVERKUSEN. Liesel Westermann-Krieg, frühere Weltrekordlerin und Olympiazweite im Diskuswurf, vollendet am Samstag (2. November) ihr 75. Lebensjahr. 1967 knackte „Diskus-Liesel“ mit der Ein-Kilo-Scheibe als erste Frau der Welt die 60-Meter-Marke. Später bewies die Jubilarin auch als Pädagogin und Politikerin Geschick.
Aufgewachsen in Sulingen bei Bremen, war Liesel Westermann von 1964 bis 1967 für Hannover 96 aktiv. Als der Wechsel zum TuS 04 Leverkusen bereits feststand, landete die damals 23-Jährige ihren großen Coup: Am 5. November 1967 schleuderte sie in São Paulo (Brasilien) den Diskus auf 61,26 Meter und avancierte zur ersten deutschen Wurf-Weltrekordlerin nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Athletin von Gerd Osenberg steigerte den Weltrekord noch dreimal: 1968 auf 62,54 sowie 1969 zunächst auf 62,70 und dann später auf 63,96 Meter.
1968 zerrann der Traum vom Olympiasieg im Regen-Finale von Mexiko-Stadt. Immerhin sprang aber Silber heraus. Vier Jahre später musste „Diskus-Liesel“ in München, obwohl in der Form ihres Lebens, mit Platz fünf Vorlieb nehmen. Kurz vor den Spielen hatte sie mit 64,96 Metern den weitesten Wurf ihrer Karriere gelandet – beim LV Nordrhein und beim TSV Bayer 04 Leverkusen noch heute Rekord. Bis auf 1,76 Meter kam Marike Steinacker in diesem Sommer an die Uralt-Bestleistung heran.
Zahlreiche Ehrungen
Zwischen 1963 und 1976 trug Liesel Westermann-Krieg – wie sie nach ihrer Hochzeit im Jahre 1978 hieß – 51 Mal das Nationaltrikot. Zehnmal wurde sie im Diskuswurf Deutsche Meisterin, einmal auch im Kugelstoßen. Und einmal mit der Sprintstaffel von Hannover 96 – vor dem ASV Köln mit Schlussläuferin Jutta Heine, der Olympia-Zweiten über 200 Meter. Die überdurchschnittliche Grundschnelligkeit befähigte die „blonde Walküre“ – so die Bild-Zeitung – den Diskus mit extrem hoher Geschwindigkeit aus dem Ring zu schleudern.
1977 gehörte Liesel Westermann-Krieg bei den Deutschen Mannschafts-Meisterschaften ein letztes Mal zum siegreichen Team des TuS 04 Leverkusen. Das „Silberne Lorbeerblatt“, „Weltsportlerin des Jahres“, Deutschlands „Sportlerin des Jahres“, der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen – für ihre herausragenden Leistungen gab es Ehrungen en masse. 2011 erfolgte die Aufnahme in die Ruhmeshalle des deutschen Sports.
Gymnasiallehrerin, Klubvorstand, Ministerialrätin
Nach dem Staatsexamen als Grund- und Hauptschullehrerin erwarb Liesel Westermann-Krieg an der Deutschen Sporthochschule Köln das Sportlehrer-Diplom. Die vierfache Mutter arbeitete unter anderem am Carl-Duisberg-Gymnasium in Leverkusen und am Gymnasium Vogelsang in Solingen. Bei der TSG Solingen engagierte sie sich ehrenamtlich und war dort zeitweise erste Vorsitzende. Die Versetzung an das Kultusministerium in Niedersachsen erforderte einen Umzug nach Hannover. Dort war sie bis zu ihrer Pensionierung 2009 als Referentin für Schulsport und Gesundheitserziehung tätig.
Liesel Westermann-Krieg kandidierte in den 1990er-Jahren für den Bundestag, den nordrhein-westfälischen Landtag und in Remscheid für das Amt der Bürgermeisterin. Zeitweise leitete sie die Bundessportkommission der FDP. Eine ihrer Forderungen: Heranwachsende durch gezielte Sportangebote von der Straße holen. Die Mitgliedschaft in einem Sportverein sei so etwas wie eine Schutzimpfung gegen Jugendkriminalität. Heute hält sich die einst beste Diskuswerferin der Welt unter anderem durch Golf- und Kartenspielen fit.