INCHEON. Patrick Franziska hat zum zweiten Mal in seiner Karriere das Halbfinale der prestigeträchtigen WTT-Champions-Kategorie erreicht. In Incheon (Südkorea) warf der Saarbrücker im Duell der Nummern acht und sieben der Welt in einem dramatischen Sieben-Satz-Krimi keinen Geringeren als Schwedens Olympia-Zweiten Truls Möregardh in der Verlängerung des Entscheidungssatzes aus dem Titelrennen und hat damit mindestens die Bronzemedaille bereits sicher. Am Sonntagfrüh kämpft Franziska um 7.15 Uhr MESZ gegen den Sieger der Viertelfinalpartie zwischen dem Weltranglistenfünften Hugo Calderano und dem ehemaligen chinesischen Jugend-Weltmeister Xiang Peng um den Einzug ins Endspiel.
Franziska klaut Möregardh den wichtigen ersten Satz
Für Patrick Franziska, der in den Runden zuvor erstmals den Japaner Shunsuke Togami und seinen australischen Trainingspartner Finn Luu besiegt hatte, war es nach drei vorausgegangenen Duellen in den Jahren 2021 bis 2023 der zweite Sieg gegen Möregardh. Heute war es ein hochklassiges Drama in sieben Akten, das der Saudi-Smash-Finalist Patrick Franziska mit 12:10, 8:11, 11:6, 10:12, 4:11 und 13:11 im Entscheidungssatz verdient für sich entschied. Denn einen eigenen Matchball bekam der schwer ausrechenbare Kreativspieler Möregardh, der jeden Schlag, jeden Effet, jede Platzierung und das Spieltempo nach seinem Gusto variiert, nicht serviert. Im Gegenteil: Der wie Franziska für Champions-League-Sieger 1. FC Saarbrücken TT spielende Schwede, der in Satz eins eine 10:5-Führung noch aus der Hand gab, geriet gegen seinen beeindruckend auftrumpfenden Vereinskollegen schnell mit 1:3 nach Sätzen in Rückstand. Franziska gestand später ein: „Wenn es über best of seven geht, startet man schon etwas ruhiger ins Match. Ich habe einen halben Satz gebraucht, bis ich meinen Rhythmus hatte. Für ihn war es natürlich bitter, den Satz zu verlieren. Das macht schon etwas mit einem.“
Würdiges Fair Play: Franziska beendet Diskussion ein Satz fünf
Schon im fünften Satz hatte Franziska erstmals dicht vor dem Einzug ins Halbfinale gestanden, nachdem er mit vier für Möregardh unerreichbaren Schlägen einen 7:10-Rückstand zum 10:10-Ausgleich verwandelte. In der folgenden Rallye landete ein Rückhandtopspin Möregardhs, ausgeführt aus einer Position seitlich vom Tisch, zweifelsfrei an der Kante. Doch keiner der beiden Protagonisten vermochte mit Sicherheit zu sagen, ob die Berührung regelgerecht für Möregardh oder für Franziska verlaufen war. Die Lösung ist beispielhaft für würdiges Fair-Play-Verhalten: Der große Sportsmann Patrick Franziska beendete die minutenlange Diskussion, indem er seinen Schläger auf der anderen Seite des Tisches platzierte und damit den Punkt – und somit den Satzgewinn – Möregardhs akzeptierte. Franziska erklärte anschließend: „Der Ball kam von außen und ich wusste nur, dass er dran war, nicht aber, ob oben oder nur an der Seite. Auch Truls war sich nicht ganz sicher, ob es oben war. Die Schiedsrichterin glaubte eher oben. Das war dann für mich okay, und ich habe die Seiten gewechselt. Leider hatten wir keinen Bildschirm in der Halle. Ein Videobeweis wäre hier sehr nützlich gewesen. Ich hoffe, er kommt irgendwann.“
Patrick Franziska: „Wir hätten es beide verdient gehabt, zu gewinnen“
Etwas aus dem Rhythmus gekommen, quittierte der Deutsche den sechsten Satz schnell und musste im siebten noch einmal einen 3:5-Rückstand wettmachen, bevor er sich bei 10:9 seinen ersten Matchball erarbeitete. Nachdem er kurz darauf seinen dritten nutzte, genoss der Europe-Top-16-Sieger von 2021 seinen Erfolg mit hoch erhobenen Armen und geschlossenen Augen. Die Zufriedenheit über den Sieg stand ihm anschließend ins Gesicht geschrieben:
„Ich bin happy, nun im Semifinale zu stehen. Unmittelbar nach dem Match bin ich jetzt aber erst einmal ziemlich müde. Ich musste mich so viel bewegen wie selten. Es war ein physisch und mental sehr herausforderndes Spiel. Wenn man die Resultate von Truls sieht und seine Spielweise kennt, dann weiß man, dass man gegen ihn keine Sekunde nachlassen darf. Auch er hat heute großartig gespielt und sich zurückgekämpft. Wir hätten es beide verdient gehabt, zu gewinnen. Ich hoffe, dass ich heute gut schlafen werde, um morgen wieder hellwach und konzentriert für die nächste Aufgabe zu sein. Ich hoffe, dass die Reise noch weitergeht.“
Achte Einzelmedaille bei WTT-Turnieren für Franziska
Der Erfolg von Incheon bedeutet – drei Jahre nach Budapest – den zweiten Halbfinaleinzug bei einem Turnier der Champions-Klasse, der zweithöchsten Kategorie des Veranstalters World Table Tennis. Seinen größten Erfolg erreichte der gebürtige Bensheimer im Vorjahr, als er in der Top-Kategorie Grand Smash in Saudi-Arabien das Endspiel erreichte. Auf der Habenseite Franziskas bei WTT-Turnieren stehen außerdem je zweimal Silber und Bronze bei Contender-Turnieren sowie ein Titelgewinn beim Heimturnier in Düsseldorf in der Feeder-Kategorie.
Lee Sangsu und Lin Yun-Ju spielen zweiten Finalteilnehmer aus
Im zweiten Vorschlussrundenspiel stehen sich am Sonntag Südkoreas Lokalmatador Lee Sangsu und der Taiwanese Lin Yun-Ju gegenüber, die sich heute gegen den Chinesen Lin Gaoyuan und den Japaner Sora Matsushima durchsetzten. Bei den Damen bestreiten die Chinesin Wang Yidi gegen ihre inzwischen für Macau antretende ehemalige Nationalmannschaftskollegin Zhu Yuling sowie die 16-jährige Japanerin Miwa Harimoto gegen Chen Xingtong (China) die Halbfinalspiele.
Für die sechs anderen deutschen Champions-Teilnehmer war das mit 500.000 Dollar dotierte Turnier vorzeitig beendet. Möregardh hatte gestern im Achtelfinale den EM-Zweiten Benedikt Duda (Bergneustadt) ausgeschaltet, Dimitrij Ovtcharov war in der gleichen Runde am Weltranglistenzehnten Lin Gaoyuan (China) gescheitert. Für Ex-Europameister Dang Qiu (Düsseldorf) sowie das Damen-Trio Ying Han (Tarnobrzeg, Polen), Nina Mittelham und Xiaona Shan (beide Berlin) war bereits in Runde eins Endstation.
Herren-Einzel, Viertelfinale
Patrick Franziska – Truls Möregardh SWE 4:3 (10,-8,8,6,-10,-4,11)
Die Spiele am Sonntag
Herren-Einzel, Halbfinale
Patrick Franziska – Hugo Calderano BRA oder Xiang Peng CHN 7:15 Uhr
Lin Yun-Ju TPE – Lee Sangsu KOR
Finale
ca. 13 Uhr MESZ
Links
Die deutschen Starter beim WTT Champions Incheon (1. bis 6. April)
Damen
Nina Mittelham (ttc berlin eastside), Xiaona Shan (ttc berlin eastside), Ying Han (KTS Tarnobrzeg, Polen)
Herren
Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken-TT), Dang Qiu (Borussia Düsseldorf), Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt), Dimitrij Ovtcharov (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell)
Trainer
Jörg Roßkopf (Herren-Bundestrainer), Zoltan Batorfi (Assistenz-Bundestrainer Damen)