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„ZWEI VERDAMMTE PUNKTE“

WM in Houston:  Nein, man gewinnt kein WM-Viertelfinale gegen eines der besten Doppel der Welt aus China, wenn man mit 0:2,5 Sätzen in Rückstand liegt. Gegen dieses Naturgesetz hätten Benedikt Duda und Dang Qiu am Samstagnachmittag Ortszeit beinahe verstoßen. „Die Enttäuschung ist groß“, war die verständliche Reaktion Dudas, gefolgt aber von einer klaren Ansage: „Jetzt müssen wir halt noch zwei Jahre warten bis zur nächste WM. Und bis zur Medaille."

Haben sich zurückgekämpft: Duda (r.), Qiu mit Coach Hielscher im Hintergrund (Foto: ms)

HOUSTON. (TX) Wer gegen Chinas Asse nichts riskiert, wird nicht gewinnen. Selbst ihre durchschnittliche Tagesform wird noch immer für die meisten Kontrahenten aus dem Rest der Welt reichen. Die wenigsten Nicht-Chinesen, die nicht Timo Boll heißen, können dabei hoffen, ihre Gegner aus dem Reich der Mitte durch eine Ehrfurcht verbreitende Aura nachhaltig zu beeindrucken. Denn die Chinesen sind es, die einem mit ihrem kraftvollen Spiel und ihrem Tempo ab dem ersten Ballwechsel nur allzu leicht das Selbstvertrauen stehlen und das Gefühl vermitteln, man befinde sich inmitten eines Sturms, der nicht gut für einen enden kann.

Zweieinhalb Sätze lang mussten Benedikt Duda und Dang Qiu diesen Sturm der topgesetzen Chinesen Liang Jingkun/Lin Gaoyuan über sich ergehen lassen. Liang und Lin spielen perfekt, die Deutschen nicht schlecht, und das machte die Punktedifferenz aus. Im ersten Satz hielten die vierfachen Deutschen Doppel-Meister noch mit, verkürzten von 5:9 auf 8:9, bevor es zum 8:11 einschlug. Im zweiten Durchgang zogen die Nummern neun und sieben der Weltrangliste an ihnen mit 11:4 vorbei, und der dritte begann nicht besser als der zweite geendet hatte. Dann kam im dritten Satz bei 2:5 diese Auszeit, die Jörg Roßkopfs Co-Trainer Lars Hielscher, der Cheftrainer Düsseldorf, für sein Duo nahm. Eindringlich sprach er auf die beiden ein und gab ihnen halb auf dem Weg zurück an den Tisch die Worte mit: „Zeigt ihnen, dass ihr noch da seid!“ Und genau da leiteten die beiden Freunde die Wende in diesem längst aussichtslos scheinenden Unterfangen ein.

Qiu: „Über den Kampf reingekommen“

Plötzlich spielten die Deutschen, was sie auszeichnet: mit Härte, Schnelligkeit, auch extremen Platzierungen und Kreativität schon bei den Rückschlägen vor allem durch Dang Qiu, der mit seinem Penholder-Stil erst in der letzten Millisekunde offenbart, mit welcher Art von Effet er wohin spielen wird. Duda/Qiu lasen auch die Rotation der Kontrahenten nun zuverlässig und wirkten in allem schneller. Das Selbstvertrauen war zurück. „Am Ende sind wir nur über Kampf reingekommen“, wird Dang Qiu nach dem Spiel bestätigen. „Dann war es ein klasse Spiel von beiden.“

Auch in Durchgang fünf war das Momentum zunächst auf Seiten des 27-jährigen Bergneustädters und des zwei Jahre jüngeren gebürtigen Nürtingers, die in ihrer Anfangszeit am Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf eine Sportler-Wohngemeinschaft gebildet hatten. Mit 3:1 und 5:3 behalten sie eine leichte Führung bei, doch dann war es die Auszeit der Chinesen, die die hohen Favoriten aus der eigenen leichten Zurückhaltung bringt. Bei 9:9 war alles offen. Andere Gegner hätte der professionelle Einsatz des Schiedsrichters, der die Spielverzögerung von Aufschläger Liang nach kurzer Aufforderung weiterzuspielen wenige Sekunden später direkt mit einer gelben Karte bestrafte, vielleicht ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Die Verwarnten jedoch blieben unbeeindruckt. Was dann passierte, beschrieb Dang Qiu so: „Bei 9:9 fangen wir beide Male an und die spielen zwei Mal Weltklasse passiv zurück.“ Benedikt Duda fügte hinzu. „Wir haben im letzten Satz nichts falsch gemacht, und am Ende fehlen uns zwei verdammte Punkte.“

Einen hohen Rückstand gegen Chinas Superstars zu drehen: Hier war es denkbar

„Die beiden haben ein super Spiel gemacht, in dem die Chinesen von Beginn an ihr Top-Niveau abgerufen haben“, fasste Ex-Nationalspieler Lars Hielscher zusammen. „Wir mussten dranbleiben und sind das auch bei 0:2 in Sätzen und 4:7 geblieben. Es war kein taktischer Fehler, kein Qualitätsfehler – einer muss so ein Spiel gewinnen. Bitter, dass wir es nicht sind.“

Fast hätten die Trainer aus dem Rest der Welt eine Fußnote in ihren Taktikbüchern ergänzen müssen. Denn darin stand bisher, dass man Chinas Stars in der Regel nur besiegen kann, wenn man sie durch frühe Führungen aus dem Konzept bringt und damit aus ihrer Sicherheit reißt. Dass man gegen eines der besten Duos der Welt einen 0:2,5-Satzrückstand drehen kann, wird man vergeblich suchen. Am Samstagnachmittag Ortszeit war es denkbar.

Duda: „Jetzt müssen wir halt zwei Jahre warten bis zur Medaille“

Die Enttäuschung ist groß“, war die verständliche Reaktion des amtierenden Deutschen Einzel-Meisters und Olympia-Ergänzungsspielers Duda. Aber wie man ihn kennen sollte, erwächst daraus direkt die nächste Ansage: „Jetzt müssen wir halt noch zwei Jahre warten bis zur nächste WM. Und bis zur Medaille.“ Ein Ziel, dass nicht zuletzt nach der heutigen Leistung realistisch erscheint.

Um 23 Uhr: Boll gegen US-Boy Jha um die Einzel-Medaille

Apropos Medaille: Ab 23 Uhr kann Timo Boll zehn Jahre nach seinem ersten WM-Edelmetall im Einzel, Bronze, bei den Titelkämpfen in Rotterdam, den nächsten Einzug in die Vorschlussrunde bei Weltmeisterschaften klarmachen. Dann spielt der Rekord-Europameister gegen den 21-jährigen Lokalmatador Kanak Jha, der als Weltranglisten-31. am Vortag die Träume von einem deutschen Viertelfinale jäh beendet hatte und DTTB-Abwehrchef Ruwen Filus aus dem Turnier warf.

Die Spiele der Deutschen am Samstag bzw. in der Nacht von Samstag auf Sonntag

Herren-Doppel, Viertelfinale

Benedikt Duda/Dang Qiu – Lin Gaoyuan/Liang Jingkun CHN 2:3 (-8,-4,12,8,-9)
Kristian Karlsson/Mattias Falck SWE – Wang Chuqin/Fan Zhendong, 21 Uhr
Ho Kwan Kit/Wong Chun Ting HKG – Jang Woojin/Lim Jonghoon, 21.40 Uhr
Paul Drinkhall/Liam Pitchford ENG – Shunsuke Togami/Yukiya Uda JPN 1:3 (-10,10,-10,-5)

Herren-Einzel, Viertelfinale

Timo Boll – Kanak Jha USA, 23 Uhr, Tisch 1

Trainerteam und Delegationsleitung

Richard Prause (Sportdirektor), Tamara Boros (Bundestrainerin Damen), Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf), Sascha Nimtz (Wissenschaftskoordinator, IAT Leipzig), Ralph Färber (Athletiktrainer, Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt am Main) Rainer Kruschel (Delegationsleiter und DTTB-Leistungssportreferent)

Medizinisches Team
Dr. Antonius Kass (Teamarzt), Dr. Christian Zepp (Sportpsychologischer Experte), Birgit Schmidt und Annette Zischka (Physiotherapeutinnen, OSP Hessen)

Schiedsrichter-Team der ITTF
Kerstin Duchatz (Düsseldorf), Nico Zorn (Wuppertal)

Offizielle DTTB-Vertreter in ITTF-Gremien
Michael Geiger (AGM-Delegierter), Matthias Vatheuer (AGM-Delegierter), Heike Ahlert (DTTB-Vizepräsidentin Leistungssport, ETTU-Vizepräsidentin, Mitglied im ITTF Board of Directors), Dr. Torsten Küneth (Equipment Committee), Manfred Schillings (ITTF Media Committee und DTTB-Presse & -Kommunikation)

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