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BOLLS ACHTELFINAL-TRAUMA BEI OLYMPIA SETZT SICH FORT

Der Rekord-Europameister unterliegt in Tokio einem brillant aufspielenden Jeoung Youngsik aus Südkorea mit 1:4 und macht seinen Fans im Anschluss Hoffnung auf die Sommerspiele 2024

TOKIO. Es ist zum Heulen. Auch bei seinen sechsten Olympischen Spielen ist Timo Boll (Düsseldorf) im Einzel vorzeitig ausgeschieden. Gegen den brillant aufspielenden Jeoung Youngsik aus Südkorea unterlag der Rekord-Europameister in der Runde der besten 16 mit 1:4. Es war Bolls fünfte Niederlage im sechsten Achtelfinale bei Olympia. Damit bleibt ihm auch in Tokio die ersehnte erste Einzel-Medaille in seiner langen erfolgreichen Karriere verwehrt.

Schon im ersten Satz war klar, wie schwierig es nach dem tadellosen gestrigen Auftritt Bolls in der dritten Runde am späten Dienstagnachmittag Ortszeit im Tokyo Metropolitan Gymnasium gegen Jeoung Youngsik werden würde. Die Nummer 13 der Weltrangliste spielte klug, entschärfte die variablen Aufschläge Timo Bolls und suchte oft den Punktgewinn über Bolls tiefe Rückhand, gefolgt von einem Ball in die weite Vorhand. So verwandelte Jeoung einen 5:7-Rückstand noch in ein 11:8. „Ich habe eigentlich gedacht, ich komme ganz gut rein. Aber irgendwie hat er seinen Rhythmus gegen meine Bälle gefunden“, war Boll überrascht.

Roßkopf: „Jeoung hat einfach auf alles eine Antwort gefunden“

In Satz Nummer zwei – nicht ungewöhnlich für Boll, der Form und Schwächen seines Gegners im ersten Durchgang erst einmal analysiert, bevor er ihn dann entsprechend ausspielt – zog der Deutsche davon. Über 5:1- und 8:3-Führungen, seinerseits den Gegner nun vermehrt über dessen Vorhand anspielend, ließ er keinen Zweifel an seiner Fähigkeit, sich auf neue Situationen einstellen zu können. Nach dem Verlust des dritten Satzes vergab Boll die wichtige Chance, sich beim Stand von 9:7 bei eigenem Aufschlag den entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Mit 9:11 ging Satz vier verloren. Im Fünften spielte sich Jeoung dann komplett in einen Rausch und parierte alle Versuche des mehrfachen ehemaligen Weltranglistenersten, dem Spiel noch die Wende zu geben. Nun ist es der Südkoreaner, der im Viertelfinale auf den bei Olympia Topgesetzten und Weltranglistenersten Fan Zhendong aus China trifft.

„Jeoung hat heute sehr gut und fast fehlerfrei gespielt und ist auch gut reingekommen ins Match. Er hat einfach auf alles eine Antwort gefunden. Vor allem im Aufschlag-Rückschlag-Bereich hat er Timo gut angespielt“, analysierte Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf. „Er hat verdient gewonnen, weil er das Spiel insgesamt beherrscht hat.“ An Timo Bolls Form habe es nicht gelegen, auch nicht an der Einstellung. „Timo hat alles versucht und probiert, über den Kampf ins Spiel hineinzukommen. Er hätte vielleicht ein, zwei Ballwechsel mehr gewinnen müssen. Jeoung hat Timo aber zu wenig Chancen dazu geboten.“

Boll lobt nicht nur die „perfekten Aufschläge“ seines Gegners

Timo Boll war ratlos angesichts der Übermacht seines Kontrahenten an diesem Tag: „Selbst aus schweren Positionen hat er immer noch sehr gute Bälle gespielt“, lobte Deutschlands Nummer eins. „Er hat mich immer schön ausgekontert und hat perfekte Aufschläge gemacht. Ich habe nie so richtig gewusst, welchen Schnitt sie haben. Dadurch war ich selbst verunsichert bei meinen Rückschlägen und konnte fast nur lange Rückschläge spielen.“

Nach den erfolgreichen Europameisterschaften in Warschau genau einen Monat zuvor war der sonstige Zweckpessimist Boll eigentlich optimistisch nach Tokio gereist. „Jetzt bin ich natürlich frustriert, weil ich dachte, ich bin gut drauf.“ Timo Boll richtete noch in der Mixed-Zone seinen Blick aber auch vorsichtig nach vorn – auf die kommenden Sommerspiele in Paris. „Mal schauen, ob ich es bis 2024 schaffe. Körperlich war ich eigentlich fit, aber vielleicht haben heute so ein paar Grad gefehlt, die ich mich abknicken hätte müssen, um extremere Winkel zu spielen. Ob ich das 2024 schaffe, weiß ich nicht. Wenn ich 2024 immer noch so in Form bin, um zum Team zu gehören – warum nicht? Es ist aber noch lange bis dahin.“

Der Bundestrainer weiß: „Für Timo geht die Welt sicher nicht unter. Er probiert es einfach 2024 noch einmal. Er ist körperlich topfit und hat Spaß am Tischtennis. Aber die Entscheidung trifft er ganz allein.“ Abhaken, weitermachen! Boll werde sich jetzt auf die Mannschaft und damit die nächste Medaillenchance konzentrieren. „Er hat die letzten Jahre immer bewiesen, dass er das kann“, so Roßkopf.

Für den am 2. August beginnenden Teamwettbewerb und dem Auftaktmatch der deutschen Herren gegen Portugal bedient sich der Spitzenspieler von Borussia Düsseldorf mit hessischen Wurzeln, Boll, seiner langen Erfahrung mit frühen Niederlagen im Olympia-Einzel. „Die Gesprächsthemen werden in unserer WG sicher nicht intellektueller. Das Gejammer wird größer“, sagte er über seine Olympia-Wohngemeinschaft mit Dimitrij Ovtcharov (Orenburg, Russland), Patrick Franziska (Saarbrücken) und Benedikt Duda (Bergneustadt). „Aber wir werden uns alle zusammenreißen. Niederlagen gehören dazu. Es war ja meistens bei Olympia so, dass ich eine Enttäuschung wegstecken musste und danach lief es ganz gut.“

Zwei verbliebene Chancen aufs Viertelfinale: Ovtcharov und Han

Deutschlands Tischtennis-Asse haben nach dem Ausscheiden von Timo Boll und – am Montag in der dritten Runde – Petrissa Solja zwei weitere Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale: Nach den 4:0-Erfolgen bei ihren Auftaktspielen am Dienstagmorgen deutscher Zeit stehen Dimitrij Ovtcharov und Han Ying (Tarnobrzeg, Polen) in der Abendsession von Tokio Lokalmatador Koki Niwa bzw. der dreifachen Olympia-Medaillengewinnerin Feng Tianwei aus Singapur gegenüber. Beide Matches finden um 21.30 Uhr japanischer Zeit statt, um 14.30 Uhr in Deutschland.

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