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„WIR BRAUCHEN EINEN ANDEREN WEG“

Saisonfazit von 15er-Rugbynationaltrainer Mark Kuhlmann

HEIDELBERG. Es war eine eher schwierige Spielzeit für die deutschen 15er-Rugbymänner in der Rugby Europe Championship 2025. In fünf Spielen gab es für die Schwarzen Adler diesmal keinen Sieg zu bejubeln, auch wenn man punktuell andeuten konnte, was mit diesem Team grundsätzlich möglich ist. Dennoch stand am Ende dieser Kampagne und quasi zur Halbzeit des zweijährigen Rugby-Europe-Saisonzyklus ein unbefriedigender achter Platz, was den Druck im Kampf um den Klassenerhalt im kommenden Frühjahr noch erhöht. Nationaltrainer Mark Kuhlmann mit einem Saisonfazit sowie Gedanken darüber, was für die nächste Saison besser laufen muss.

Mark, der Rückblick auf diese Saison fällt Ihnen sicher nicht ganz so leicht wie in den vorangegangenen. Tun Sie es für uns bitte dennoch: Wie fällt Ihr Fazit zur 2025er Kampagne aus?

Natürlich hätten wir alles uns das ein wenig anders vorgestellt, gerade und vor allem in den Heimspielen gegen Belgien und abschließend gegen die Schweiz haben wir nicht die Leistung gezeigt, die nötig  gewesen wäre, um durchaus mögliche Siege zu holen. Aber ganz grundsätzlich muss man sagen: Wir haben in den zwei Jahren zuvor vielleicht an manchen Stellen auch etwas über unseren Möglichkeiten gespielt. Im Grunde haben wir die meisten Spiele, die wir jetzt verloren haben, 2023 und 2024 in ähnlicher Höhe auch verloren. Nur haben wir dort, vielleicht auch mit ein wenig Glück, das immer auch dazugehört, unsere Ranking-Halbfinals gewinnen können.

Woran liegt es also aus Ihrer Sicht, dass wir mit unserem Team scheinbar keine signifikanten Schritte nach vorn machen können?
Nun, dass es so scheint, liegt eigentlich an einigen ganz bestimmten Punkten. Der wichtigste ist sicher die mangelnde Spielpraxis auf einem ähnlichen Niveau wie dem, was uns in der REC erwartet. Diese notwendige Wettkampfhärte kann man in der vergleichsweise wenigen gemeinsamen Trainings- und Spielzeit kaum erreichen. Der Verband hat zwar gerade vor dieser Saison viel getan, um die Voraussetzungen zu verbessern, aber augenscheinlich hat das nicht so gefruchtet, wie wir uns das erhofft hatten. Dazu muss man konstatieren, dass es insgesamt an Grundlagen fehlt, die Nationalspieler eigentlich schon mitbringen sollten. Die Spieler stehen oft auf dem Platz, und die Vereine tun ihr Möglichstes. Aber die nachhaltig aufzubauen, ist natürlich schwer in einer Liga, in der es nur wenige enge Spiele mit entsprechenden Drucksituationen gibt, und in der in der entscheidenden Zeit der REC-Vorbereitung auch noch Winterpause ist. Das bedeutet, dass wir in Trainingscamps mit den Nationalspielern die knappe Zeit auch in Grundlagen investieren müssen, anstatt an Taktiken und Spielsituationen zu feilen. Und nicht zuletzt müssen wir versuchen, unseren Spielerpool auszubauen, denn wenn es verletzte Spieler gibt, was in so einer kompakten Kampagne immer passieren kann, sind die für uns nur schwer gleichwertig zu ersetzen.

Was muss also bis zur nächsten Saison besser werden?
Die Zeit ist natürlich sehr knapp, aber wir brauchen, glaube ich, einen anderen Weg für den zweiten und entscheidenden Saisonteil. Wir werden mehr und intensivere Trainingscamps brauchen, also gemeinsame Zeit auf dem Platz. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Jungs in der entscheidenden Zeit  die nötige Spielpraxis bekommen, die die anderen Kontrahenten einfach haben. Zum Beispiel müssten wir den Kader in der ersten und zweiten Januarwoche mal länger zusammenziehen können. Wir brauchen gegen Ende dieses Jahres vielleicht auch das eine oder andere Testspiel gegen gute Gegner. Auch da muss man sagen, dass wir mit den Spielen in Kanada und Dubai Schritte nach vorn gemacht haben im Vergleich zu den Jahren zuvor. Aber für mehr Wettkampfhärte, um in der REC kurz- und mittelfristig bestehen zu können, braucht es sicher auch stärkere Gegner. Das ist nicht leicht zu bewerkstelligen, aber wir wollen und müssen das angehen.

Noch etwas?
Ja, wir bräuchten zudem ein deutliches und auch frühzeitigeres Commitment unserer Spieler aus dem Ausland, dass sie für die Nationalmannschaft zur Verfügung stehen. Auch der Kontakt zu den Vereinen in Frankreich oder England müsste intensiver sein. Wir konnten in dieser Saison kaum Spieler aus den Profiligen einsetzen, anders als etwa Belgien das konnte. Dafür braucht es natürlich im Planungsbereich entsprechend Manpower, das müsste auf mehreren Schultern verteilt werden.

Wie schätzen Sie also die Chancen ein, dass die Schwarzen Adler in der kommenden Saison den Klassenerhalt noch schaffen können?
Ganz realistisch gesehen muss bei uns alles passen, wenn uns das gelingen soll. Und, wie gesagt: Hilfreich wäre es, wenn die Spieler mehr Spielpraxis auf höherem Leistungslevel bekommen könnten. Eine Möglichkeit, Spiele mit einem Team aus Nationalspielern in einem Wettbewerb wie dem Supercup absolvieren zu können, würde selbstverständlich helfen. Wir haben in der Liga einfach zu wenig Spiele, die das bieten können. Ein Spiel, das 85:3 ausgeht, macht auch die Spielersichtung für uns Trainer schwierig. Da sind etwa die spanische oder die niederländische Liga in der Breite besser aufgestellt als die Bundesliga. Was die ganze Sache sicher noch etwas schwieriger macht: Mit Kapitän Jörn Schröder und Markus Bachofer haben zwei erfahrene Spieler offiziell ihre Adler-Karriere beendet.

Richtig. Dass ein Mann wie Jörn Schröder es auf über 50 Länderspiele geschafft hat, zeigt ja, dass er kein ganz Schlechter ist. Jörn ist ein Top-Spieler, der lange für Rugby Deutschland auf dem Platz alles gegeben hat. Zudem schätze ich ihn als Menschen sehr, daher habe ich ihn ja auch zum Kapitän gemacht. Dass er jetzt in seinem Alter die Prioritäten mehr auf Beruf und Familie legen will, ist absolut nachzuvollziehen. Das gleiche gilt im Prinzip auch für Markus, der allerdings erst spät zum Nationalteam gestoßen ist. Markus verfügte zwar nicht über das größte Talent im Kader, aber er hat sich seine Position enorm hart erarbeitet. Ich habe selten jemanden gesehen, der so akribisch an sich gearbeitet hat. Aber für ihn, wie auch für Jörn, ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, bevor sie ihre starken Leistungen womöglich nicht mehr abrufen können. Den beiden gilt auf jeden Fall ein aufrichtiger Dank für ihre Leistungen im deutschen Nationaltrikot.

Wie lassen sich solche „Abgänge“ kurzfristig kompensieren? Sie sagten ja schon, dass das grundsätzlich nicht so leicht ist. Geht da der Blick auch ins Ausland?
Nun, gerade auf diesen Positionen in der ersten Sturmreihe haben wir junge Leute, die das in der kommenden Saison auch gut machen werden, die auch schon REC-Erfahrung sammeln konnten, aber auch noch mehr davon sammeln müssen. Und natürlich werden wir uns nach weiteren Spielern umschauen, die uns besser machen können – auch im Ausland. Allerdings gilt da die Prämisse, dass sie schon ein deutliches Upgrade zu einem unserer deutschen Spieler darstellen müssten, um alle Unwägbarkeiten wie etwa die schwierigere Verfügbarkeit wettzumachen. Und klar ist auch: Es reicht ja nicht, wenn jemand, der für Deutschland spielberechtigt ist, in seinem Club gut spielt. Er muss auch verlässlich verfügbar sein und zum Team und zu unserem Spiel passen. Da gilt es also immer zu hinterfragen, ob das mittelfristig eine sinnvolle Ergänzung für Rugby Deutschland ist.

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