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18 JAHRE JUNGE OLYMPIA-DEBÜTANTIN ANNETT KAUFMANN WIRD IM ACHTELFINALKRIMI GEGEN DIE USA ZUR MATCHWINNERIN

Olympische Spiele Paris 2024, Tischtennis-Wettbewerbe (27. Juli bis 10. August) * * * Nun gegen Indien um den Einzug ins Halbfinale * * *

Olympia-Debütantin Annett Kaufmann (c) DTTB

PARIS. Deutschlands Damen spielen beim olympischen Tischtennisturnier in Paris am Mittwoch (10 Uhr) gegen Indien um den Einzug in das Halbfinale. Ohne die verletzte Spitzenspielerin Nina Mittelham besiegten Routinier Xiaona Shan und die Debütantinnen Annett Kaufmann und Yuan Wan in einem Achtelfinalkrimi das Team der USA mit 3:2. Zur Matchwinnerin wurde bei ihrer Olympiapremiere die 18 Jahre alte Deutsche Meisterin Annett Kaufmann, die beide Einzel gewann. Heute Abend um 20 Uhr trifft in der South Paris Arena 4 Deutschlands Herren-Auswahl im Viertelfinale in einer Neuauflage des EM-Endspiels von Malmö 2023 auf Team-Europameister Schweden.

Starke DTTB-Auswahl trotzt allen Widrigkeiten

Die DTTB-Auswahl erkämpfte sich im Achtelfinale der Olympischen Spiele allen Widrigkeiten zum Trotz mit einem eindrucksvollen 3:2-Sieg über die USA den Einzug in das Viertelfinale. Der Olympiavierte von Tokio 2020 und Olympiazweite von Rio 2016, der zusätzlich zu der vor den Sommerspielen ausgefallenen Defensivkünstlerin Ying Han (Achillessehnenriss) in Paris zu allem Unglück nun auch noch kurzfristig auf die im Einzelturnier an der Bandscheibe verletzte Weltranglisten-17. Nina Mittelham verzichten musste, zeigte eine glänzende Mannschaftsleistung. Alle drei Spielerinnen waren an den Punktegewinnen beteiligt, zudem setzten die Olympia-Debütantinnen Annett Kaufmann und Yuan Wan gegen die Nordamerikanerinnen entscheidende Akzente.

Bundestrainerin Tamara Boros fiel nach dem Erfolg ein Stein vom Herzen: „Ninas Verletzung war der nächste Schock für uns, nachdem wir schon ohne Ying anreisen mussten. Wir wussten aber, dass wir trotzdem noch eine gute Mannschaft und eine Chance gegen die USA haben würden. Das war ein 50:50-Spiel, bei dem wir allerdings gar keinen Druck hatten. Ich freue mich jetzt wirklich, dass wir das heute geschafft haben. Das ganze Jahr war für uns aufgrund der vielen Verletzungen, die der Mannschaft passiert sind, sehr, sehr schwer. Wir spielen hier ohne unsere Nummern eins und zwei. Wir haben zwar keinen Druck mehr, müssen aber 100 Prozent um jeden Ball kämpfen und einen guten Teamspirit zeigen. Das haben wir heute geschafft. Wir genießen die Olympischen Spiele nun noch etwas länger und werden niemals aufgeben.“

Perfektes Olympia-Debüt von Ausnahmetalent Annett Kaufmann 

Zur Matchwinnerin avancierte im Duell mit den USA die erst seit wenigen Wochen 18 Jahre alte Annett Kaufmann. Von Bundestrainerin Tamara Boros heute in der Spitzenposition aufgestellt, bot die Europameisterin aller Nachwuchsklassen ein beeindruckendes und mit zwei Siegen perfektes Olympia-Debüt. In ihrem ersten Einzel zur deutschen 2:0-Führung überließ die Abiturientin US-Spitzenspielerin Lily Zhang keinen Satzgewinn. Anschließend behielt die Linkshänderin im entscheidenden fünften Spiel auch nach einem 0:1-Satzrückstand gegen Rachel Sung die Nerven und siegte in vier Sätzen.

Ging Kaufmann gegen die ehemalige World-Cup-Halbfinalistin Lily Zhang noch bei einer deutschen 1:0-Führung an den Tisch, hielt die Hochtalentierte wenig später in beeindruckender Art und Weise dem Druck stand, bei ihren ersten Olympischen Spielen das entscheidende Einzel bestreiten zu müssen. Kaufmann begann gegen Rachel Sung zwar nervös und musste den ersten Satz noch mit 6:11 abgeben, brachte aber anschließend nach einer deutlichen Leistungssteigerung gegen die Nummer 246 der Welt den deutschen Gesamtsieg mit 11:4, 11:9 und 11:8 verdient unter Dach und Fach.

Bundestrainerin Boros: „Das war unglaublich von Annett“

Spannend blieb es in dem von beiden Seiten zeitweise nervös geführten entscheidenden Duell allerdings bis zum Schluss. Im dritten Satz wusste Kaufmann nach einer 10:6-Führung zunächst ihre ersten drei Satzbälle nicht zu nutzen. Bei 10:9 half dann die Auszeit von Bundestrainerin Tamara Boros: Mit einem Tomahawk-Aufschlag sicherte sich die Weltranglisten-100. anschließend einen direkten Punktgewinn und damit die wichtige 2:1-Führung. Auch vierten Durchgang konnte die Amerikanerin noch einmal von 6:9 auf 8:9 verkürzen, ehe Kaufmann jedoch mit einem Vorhandtopspin ihren ersten Matchball zum deutschen Gesamtsieg nutzte.

Bundestrainerin Tamara Boros lobte Kaufmann: „Das war unglaublich von Annett. Sie mag es, in dieser Atmosphäre zu spielen – vor großem Publikum und viel Unterstützung von den Rängen. Sie hat bewiesen, dass sie viel weiter ist als 18-jährige Spielerinnen normalerweise sind. Sie ist mental wirklich sehr stark.“

Annett Kaufmann: „Es fühlt sich ein bisschen wie im Traum an“

Annett Kaufmann konnte nach dem Match ihr Gefühle kaum in Worte fassen: „Ich bin gerade überwältigt von meinen Emotionen. Es fühlt sich ein bisschen wie im Traum an: Die Halle, die Fans aus aller Welt, mein Name wird gerufen. Dazu die Mädels auf der Bank, die mich anfeuern. Das ist Wahnsinn! Am Ende habe nur noch ich in dieser Halle gespielt, als alle anderen Spiele beendet waren. Das war eine Wahnsinnsstimmung, die ich noch nie erlebt habe in meinen 14 Jahren Tischtennis.“

Zum entscheidenden Einzel sagte Kaufmann: „Ich war vor allem im ersten Satz sehr nervös. Ich spiele nicht oft gegen andere Linkshänderinnen und auch nicht immer gerne gegen sie. Sie spielte für mich auch etwas unangenehm. Ich habe mich dann stärker auf die Taktik fokussiert und versucht, variabel zu bleiben. Dadurch konnte ich in Führung gehen. Sie hat sich dann aber zurückgekämpft. Tamy (Anm. d. R.: Bundestrainerin Tamara Boros) und die Mädels haben mir Selbstbewusstsein und Zuversicht geschenkt. Ohne sie wäre ich gar nicht so gut gewesen.“

Auch Yuan Wan im Auftaktdoppel mit starkem Olympia-Debüt

Auch die für Spitzenspielerin Nina Mittelham in die Mannschaft gerückte Yuan Wan durfte sich über eine überaus gelungene Olympiapremiere freuen. Im wichtigen Auftaktdoppel an der Seite von Routinier Xiaona Shan legte sie ihre Nervosität schnell ab und avancierte im Duell mit dem Duo Amy Wang/Rachel Sung sogar zur stärksten Spielerin am Tisch. Im zweiten Durchgang verhindert die 27-jährige DM-Zweite im Einzel bei einem 4:8-Rückstand mit entschlossenen Angriffsbällen den Satzausgleich und legte somit die Basis für den hochverdienten 3:0-Auftakterfolg im Erfolg. Bundestrainerin Tamara Boros unterstrich anschließend die Bedeutung des Auftakterfolgs, an dem Yuan Wan großen Anteil hatte: „Es war sehr wichtig, dieses Doppel zu gewinnen. Für Yuan war es die erste Olympia-Teilnahme und der erste Einsatz im Team. Im Doppel hat sie wirklich gut gespielt.“

Im Einzel allerdings musste sich Yuan Wan nicht unerwartet der Nummer eins der USA beugen. Gegen die ungemein sicher die Bälle platzierende Weltranglisten-29. Lily Zhang wehrte sich die 67 Plätze schlechter eingestufte Deutsche Doppelmeisterin zwar nach Kräften und erarbeitete sich nach einem 0:1-Satzrückstand und 3:6 im zweiten Durchgang nach der von Bundestrainerin Tamara Boros genommenen Auszeit mit 11:9 sogar zwischenzeitlich den Ausgleich. Ihre 1:3-Niederlage und damit den Ausgleich der Amerikanerinnen zum 2:2 konnte sie trotz einer guten Leistung jedoch nicht verhindern. Bundestrainerin Tamara Boros erklärte: „Im Einzel war Lily Zhangs Rhythmus für Yuan ein bisschen unangenehm. Sie hat nicht den richtigen Treffpunkt gefunden. Das war für sie das Hauptproblem.“

Die Weinheimerin musste ihr kurzfristiges Olympia-Debüt erst einmal realisieren: „Nachdem Nina sich verletzt hatte, habe ich angefangen, mich mental auf einen vielleicht möglichen Einsatz vorzubereiten. Schon in der Vorbereitung habe ich so trainiert, als ob ich spielen würde. Als die finale Mitteilung kam, dass ich tatsächlich spielen würde, war ich trotzdem dann ein bisschen geschockt. Ich habe direkt versucht, es zu verarbeiten und mir zu sagen, dass ich völlig frei aufspielen kann. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um dem Team zu helfen und gebe mein Bestes. Mit dieser Einstellung bin ich heute in das Spiel hineingegangen.“ Gegen Lily Zhang half allerdings auch die gute Form nicht: „Ich spiele nicht gerne gegen Lily. Sie bringt viele Bälle zurück, und ich kam mit meinen Schüssen von der Vorhand nicht so richtig durch. Sie hat taktisch sehr gut gegen mich gespielt. Sie hat so viel Erfahrung und wirkte auf mich voller Selbstvertrauen. Ich habe versucht mitzuhalten, habe aber gemerkt, dass ich ihr spielerisch noch unterlegen bin.“ 

Xiaona Shan kann den Anschlusspunkt der USA nicht verhindern

Die Chance, für ihre Mannschaft einen frühen 3:0-Erfolg unter Dach und Fach zu bringen, hatte bei einer deutschen 2:0-Führung Xiaona Shan. Die 41 Jahre alte EM-Dritte agierte jedoch gegen ihre starke Kontrahentin Amy Wang wie schon in der ersten Runde des Einzelwettbewerbs gegen die Ungarin Georgina Pota ohne das notwendige Selbstbewusstsein. Die an Position 40 in der Welt notierte Berlinerin, die in den Monaten vor den Olympischen Spielen an einer Nackenverletzung laborierte, blieb unter ihren Möglichkeiten und verlor das Duell der Weltranglistennachbarinnen gegen die zwei Plätze besser notierte Wang in vier Sätzen, die für ihr Team den Anschlusspunkt zum 1:2 verbuchte. Xiaona Shan hatte unbedingt den dritten deutschen Punkt beisteuern wollen: „Ich bin so glücklich, dass wir am Ende gewonnen haben. Aber über mein verlorenes Einzel habe ich mich total geärgert. Ich wollte nach der 2:0-Führung unbedingt den letzten Punkt machen. Nach meiner Nackenverletzung bin ich noch nicht wieder zurück in alter Form. Die Kraft ist da, aber ich bin noch ein bisschen zu langsam.“ Mit dem Auftritt im Doppel war Shan allerdings zufrieden: „Es war unser erstes gemeinsames Match. Yuan und ich hatten vorher nur hier ein bisschen Doppel zusammen trainiert. Da hatten wir gleich ein gutes Gefühl, dass wir gut zueinander passen.“

DTTB-Damen am Mittwoch gegen Indien um den Einzug ins Halbfinale

Deutschlands Kontrahent im Kampf um den Einzug in das Viertelfinale heißt am Mittwoch um 10 Uhr Indien. Die von Spitzenspielerin Manika Batra angeführten Asiatinnen warfen gestern den europäischen Erzrivalen der DTTB-Damen, Rumänien, mit 3:2 aus dem Turnier. Bundestrainerin Tamara Boros weiß um die Stärke der Gegnerinnen: „Gegen Indien treffen wir zweimal auf Spielerinnen mit langen Noppen. Batra spielt sehr gut. Wir haben das Spiel gegen Rumänien gestern alle zusammen angeschaut. Ich habe einen Schläger mit diesen Noppen dabei und ein bisschen haben wir schon dagegen trainiert. Sie sollen gegen Indien befreit aufspielen und diese Stimmung, diese Atmosphäre genießen. Wir sind nicht die Favoritinnen.“ Annett Kaufmann freut sich auf das Duell: „Ich spiele eigentlich ganz gern gegen Material. Sie sind starke Spielerinnen, haben gute Leute geschlagen. Das sind wir aber auch. Deshalb kann es knapp werden. Ich freue mich sehr auf dieses Spiel. Sie müssen erst mal gegen uns gewinnen. Wir werden es ihnen sicher nicht leicht machen.“ Auch Yuan Wan gibt sich kämpferisch: „Indien ist sicher unangenehm, aber wir sind auch unangenehm. Wir werden mit dem gleichen Mindset wie gegen die USA ins Spiel gehen: Wir kämpfen Punkt für Punkt, Spiel für Spiel und brauchen uns vor ihnen nicht zu verstecken. Auf gar keinen Fall!“

DTTB-Herren heute um 20 Uhr gegen Europameister Schweden

Auf Deutschlands Herrenmannschaft wartet nach dem gestrigen 3:0-Aufgalopp gegen Kanada heute um 20 Uhr eine wesentlich höhere Hürde. Die DTTB-Auswahl steht in einer Neuauflage des EM-Endspiels von 20213 Europameister Schweden gegenüber, der mit dem olympischen Silbermedaillengewinner Truls Möregardh, Kristian Karlsson und Anton Källberg antritt. Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf blickt voraus: “Schweden wird uns natürlich viel mehr abverlangen als Kanada. Wir werden bereit sein. Alle Akteure kennen sich sehr gut. Es wird ein klassisches 50:50-Spiel.“

Damen-Mannschaft
Achtelfinale

Deutschland – USA 3:2
Yuan Wan/Shan Xiaona – Amy Wang/Rachel Sung 3:0 (7,8,6)
Annett Kaufmann – Lily Zhang 3:0 (6,6,5)
Xiaona Shan – Amy Wang 1:3 (-9,-5,7,-6)
Yuan Wan – Lily Zhang 1:3 (-5,9,-5,-6)
Annett Kaufmann – Rachel Sung 3:1 (-6,4,9,8)

Viertelfinale
Mittwoch, 10 Uhr: Deutschland – Indien

Herren-Mannschaft
Viertelfinale
Dienstag, 20 Uhr: Deutschland  – Schweden . Zum ZDF-Livestream

Auslosungen, Ansetzungen und Ergebnisse

Damen-Team
Herren-Team

Links

Weitere Infos

Damen-Team: Nina Mittelham (ttc berlin eastside / WR: 16, Olympia-Teilnahmen: -), Shan Xiaona (ttc berlin eastside / WR: 40, OT: 2016, 2020), Annett Kaufmann (SV DJK Kolbermoor / WR: 92, OT: -), Ergänzungsspielerin: Yuan Wan (TTC Weinheim / WR: 86, OT: -)
Herren-Team: Dang Qiu (Borussia Düsseldorf / Weltrangliste: 11, Olympia-Teilnahmen: -), Dimitrij Ovtcharov (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell / WR: 14, OT: 2008, 2012, 2016, 2020), Timo Boll (Borussia Düsseldorf / WR: 24, OT: 2000, 2004, 2008, 2012, 2016, 2020), Ergänzungsspieler: Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken-TT / WR: 9, OT: 2020).
Herren-Einzel: Dang Qiu, Dimitrij Ovtcharov
Damen-Einzel: Nina Mittelham, Xiaona Shan
Gemischtes Doppel: Dang Qiu/Nina Mittelham

ITTF-Nominierung Schiedsrichter
Olympia: Kerstin Duchatz (Herne)
Paralympics: Anja Gersdorf (Düsseldorf)

Die bisherigen 9 Medaillengewinne Deutschlands im Tischtennis
Gold: –
Silber: 4
Bronze: 5

1992, Barcelona
Silber Herren-Doppel: Steffen Fetzner/Jörg Roßkopf
1996, Atlanta
Bronze Herren-Einzel: Jörg Roßkopf
2008, Peking
Silber Herren-Mannschaft: Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Christian Süß
2012, London
Bronze Herren-Einzel: Dimitrij Ovtcharov
Bronze Herren-Mannschaft: Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Bastian Steger
2016, Rio de Janeiro
Silber Damen-Mannschaft: Ying Han, Xiaona Shan, Petrissa Solja
Bronze Herren-Mannschaft: Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Bastian Steger
2020, Tokio
Bronze Herren-Einzel: Dimitrij Ovtcharov
Silber Herren-Mannschaft: Timo Boll, Patrick Franziska, Dimitrij Ovtcharov

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