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DHB-SPORTDIREKTOR UND VORSTAND SPORT MARTIN SCHULTZE IM INTERVIEW

11.11.2022 MARTIN SCHUTZE

  MÖNCHENGLADBACH.  Martin Schultze sitzt uns gut gelaunt am Bildschirm gegenüber. Seit 1. November 2022 begleitet er das Amt des Sportdirektors und Vorstand Sport beim Deutschen Hockey-Bund. Im Gespräch erzählt Schultze, wie er beim DHB angekommen ist, was ihn am meisten überrascht hat und warum er stolz auf zwei sehr unterschiedliche Bundestrainer ist.

Martin, Du bist jetzt seit dem 1. November 2022 im Amt. Wie war das erste halbe Jahr DHB als Sportdirektor für dich?

Ich muss sagen: ganz hervorragend und wunderbar. Es war eine unglaublich intensive Zeit. Natürlich ging es zunächst darum, anzukommen und die Prozesse im DHB kennenzulernen. Ich habe viele neue Menschen und Stakeholder kennengelernt. Insofern war es hoffentlich ein bisschen intensiver als es in Zukunft sein wird, aber da bin ich mir nicht so sicher. Insgesamt gibt es viele interessante Projekte, wir haben auch schon viel angestoßen und es geht in die richtige Richtung. Das emotionale Highlight war natürlich der Weltmeistertitel der Herren in Indien.

Ist das Tätigkeitsprofil so, wie du es erwartet hast?

Wie hatte ich es mir vorgestellt? Sicherlich anders. Im Moment gibt es sehr viele Aufgaben, die mehr in den Bereich des Vorstandes fallen, als in den des Sportdirektors. Der Sport kommt mir aktuell ein wenig zu kurz, weil zuerst viele übergeordnete Themen abgearbeitet werden müssen. Ich freue mich aber jetzt wieder häufiger am Sport dran sein zu können, wie bei der U16 gegen Holland oder den anstehenden Pro League Spielen.

Für 2023 war sicherlich eine der ersten Hürden, dass der Etat des DHB eine Lücke ausgewiesen hat, wie ist der Status im
finanziellen Bereich?

Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Wir sind mit einem relativ großen Delta in das Jahr gestartet, das wir aktuell um ⅔ reduzieren konnten. Wir haben jetzt die Hälfte des Jahres hinter uns und daher denke ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir sind aber noch weit davon entfernt, sagen zu können, dass alles gesichert ist.
Konkret heißt das, dass wir von unserem Delta von 600.000 Euro bereits 400.000 € refinanzieren konnten. Das ist uns u.a. durch ein enges Controlling gelungen, hier treffen wir auch mittlerweile auf sehr großes Verständnis. Der gesamte Leistungssport arbeitet hier
hervorragend mit. Zum anderen hat sich auf der Sponsorenseite einiges getan.

Mit welchen Zielen bist du deine Arbeit angetreten und welche davon konntest Du bereits erreichen bzw. die notwendigen Prozesse anschieben?

Wir sind dabei, die Struktur im Leistungssport zu verändern. Ich habe das beim letzten Bundestag vorgestellt. Das Steuerungsteam wurde deutlich verkleinert, so dass wir mit drei Steuerungskreisen darunter organisiert arbeiten. Das ist der eine Bereich, mit dem wir jetzt schneller und effektiver arbeiten können. Die weiteren Änderungen betreffen die Zuständigkeiten für die U-Nationalmannschaften. Die U21-Mannschaften sollen zukünftig an die A-Kadern gekoppelt werden, um die Abstände und Übergänge zwischen den Teams zu verkürzen. Insgesamt ändert sich auch die Trennung der Geschlechter in unseren U-Strukturen. Wir wollen bei
der U16 und U18 Jemanden haben, der geschlechterübergreifend auf die Teams schaut. Das Gleiche gilt auch für die U21. Wir wollen weg vom geschlechtsspezifischen Denken hin zu einem einheitlichen roten Faden. Insgesamt stellen wir viele Dinge in Frage. Wir überprüfen das Sichtungswesen, die Rolle der Stützpunkte und wie wir die Athlet*innen noch enger und besser betreuen können, als es momentan der Fall ist. Das sind Prozesse, die angestoßen we aber erst nach Paris 2024 in die richtige Umsetzung gehen. Und kulturelle Veränderungen, die auch mit dem DOSB und vielen Instanzen abgestimmt werden müssen.

Wie kommen diese Bestrebungen nach Veränderung im DHB an?

Es gibt diejenigen, die bewahren wollen, und diejenigen, die besonders innovativ sind, die voranschreiten und alles verändern wollen. Ich glaube, weder das eine noch das andere ist ganz richtig. Wir müssen einen guten Mittelweg finden. Grundsätzlich glaube ich, dass in den letzten Jahren zu viel bewahrt und zu weniginnovativ nach vorne geschaut wurde. Hier müssen wir einen inspirierenden, innovativen Weg gehen, den ich auch anstoßen möchte.

Dann zum Sportlichen: Wie siehst Du die aktuelle sportliche Entwicklung von den U-Teams bis zu den A-Mannschaften?
Über Pfingsten gab es das erste Spiel einer U15 männlich. Wir prüfen aktuell das Projekt U15 und schauen, ob es Sinn macht, eine
U15 grundsätzlich zu etablieren. Die Niederländer machen das zum Beispiel schon. Ansonsten gehen die Saisons der Jugendnationalmannschaften jetzt richtig los. Nach den U18-Europameisterschaften in Krefeld und nach dem U16-Sommerturnier
können wir den Stand der Dinge besser beurteilen können. Die weibliche und männliche U21 hat ihren Jahreshöhepunkt Ende des

Jahres mit der Weltmeisterschaft. Auch hier wäre es zu früh, jetzt schon eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die Vorbereitungen laufen auf
Hochtouren und ich hoffe auf eine gute Entwicklung. Wie angesprochen, finden in diesem Jahr die Europameisterschaften der A-Kader in Mönchengladbach und der U18-Nationalmannschaften in Krefeld statt. Außerdem die U21-WM im Dezember.

Welche sportlichen Erwartungen habt ihr an die Turniere?
Wie von Rein van Eijk, unserem Verantwortlichen für die U-Teams männlich, schon formuliert, haben wir als deutsche Nationalmannschaften immer das Ziel, oben zu stehen und Turniere zu gewinnen. In der U16 ist das noch nicht so wichtig, da steht
insgesamt die Entwicklung im Vordergrund. Trotzdem wollen wir uns entwickeln und erfolgreich sein. Ich denke, dass wir überall, wo
Deutschland antritt, einen gewissen Anspruch haben, am Ende ganz oben zu stehen. Von der Bedeutung her nimmt das natürlich von der
U16 bis zur U21 zu und ist logischerweise bei den Danas und Honamas das schlagende Argument.

Dann springen wir kurz wieder in die Vergangenheit: Welchen Effekt hatte der Weltmeistertitel der Herren für Hockey in Deutschland?

Auf jeden Fall gab es viele positive Rückmeldungen. Wir sind kurz in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Bei der Sponsorenansprache hilft es noch, dass wir sagen können „Weltmeister” oder „Heimat der Weltmeister”. Das kann man stolz nach außen tragen. Das ist am Ende schön und doch der Erfolg von gestern. Vor uns liegen die Europameisterschaften und die Olympischen Spiele in Paris, wo wir
das Gezeigte bestätigen wollen. Das wäre viel schöner.

Dann blicken wir auf das Jahr 2024: Welche Schritte habt ihr euch auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2024
vorgenommen? Wie wichtig ist es, sich direkt über die Heim-EM zu qualifizieren?

Das wäre natürlich fantastisch. Allein schon deshalb, weil man sich finanziell zwei Qualifikationen sparen würde. Aber es kommt, wie es kommt. Wenn wir durch die Qualifikation müssen, dann gehen wir durch die Qualifikation. Wichtig ist, dass wir uns qualifizieren und dann 2024 eine perfekte Vorbereitung haben. Nach der Heim-EM werden wir diese Schritte mit den Bundestrainern planen. Natürlich haben die Olympischen Spiele oberste Priorität und es ist fantastisch, dass es nur noch 15 Monate bis dahin sind.

Wo Du gerade die Bundestrainer erwähnst: Unsere Bundestrainer Valentin Altenburg und André Henning sind zwei ganz besondere Bundestrainer mit einer speziellen Verbindung. Was kannst Du als Sportdirektor dazu berichten?

Das erste, was mir bei unserem Bundestag aufgefallen ist, ist, dass es für alle Sportarten in Deutschland etwas Einmaliges ist, dass zwei Bundestrainer auf der Bühne stehen und sich so einen Vortrag ping- pong-mäßig hin und her spielen. Die beiden haben das in einer Perfektion gemacht, die einmalig und unglaublich harmonisch war. Wenn man die Bundestrainer kennt und weiß, dass sie grundverschieden sind, war es umso interessanter zu sehen, dass es doch ein ähnliches Denken gibt und nur die Herangehensweise, mit der jeder sein Team wirklich erfolgreich führt, unterschiedlich ist.
Das ist sehr spannend und für mich eine Herausforderung, auf diese beiden unterschiedlichen Charaktere einzugehen und sie in ihren Bedürfnissen zu bedienen. Wir haben hier zwei ganz herausragende Köpfe und das ist schon etwas Besonderes.

Zurück zu Dir: Was sind die nächsten strategischen Entwicklungsschritte, die du bearbeiten möchtest? Was sind
die größten Hürden dabei?

Das größte strategische Thema ist derzeit das nationale Leistungszentrum, das immer konkretere Formen annimmt und Kräfte sowie Zeit bindet. Der Ansatz ist, dass wir durch die Anbindung einer Sportschule an unseren Hockeypark in Mönchengladbach eine Möglichkeit finden, sehr gute Bedingungen für Lehrgänge und die Entwicklung der Spielerinnen und Spieler zu schaffen. Kurze Wege, gute medizinische Versorgung und die Indoor-Kaltlufthalle sind hier die Stichworte. Das als Sportdirektor machen zu dürfen, ist ein absolutes Geschenk und mit einem Volumen von knapp 30 Millionen Euro habe ich Möglichkeiten, die nicht jeder Sportdirektor oder Vorstand hatte. Es ist eine unglaubliche Chance, die sich uns bietet, und es hängt viel davon ab, dass wir eine gute Planung haben und das Projekt erfolgreich umsetzen.

Und zum Schluss noch die Frage: Erstmals seit 12 Jahren findet eine Heim-EM in Deutschland statt. Warum sollten Sportfans das Ereignis nicht verpassen?

Erstens, um fantastischen Sport zu erleben. Und Zweitens, um ein Rahmenprogramm zu erleben, das für eine Sportveranstaltung außergewöhnlich sein wird. Dazu werden in Kürze genauere Details folgen. Ich glaube, dass wir ein Sportereignis für Deutschland schaffen, das einzigartig ist. Wenn ich an die Stimmung bei der WM 2006 zurückdenke, dann war das eben eine Woche Sportfest in gigantischem Ausmaß. Ich bin mir sicher, dass wir diese Stimmung wieder transportieren können, mit vollen Stadien begeistern und mit dem Umfeld rund um die EM etwas Einzigartiges schaffen, das es in der deutschen Sportlandschaft so noch nicht gegeben hat. Das sollte sich niemand entgehen lassen.

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